atypische Beschäftigung prekäre Arbeit

 

ATYPISCHE BESCHÄFTIGUNG:

 

26/04/2016:

Atypische Beschäftigung stieg auch 2015 weiter an

(von Markus Krüsemann)

 

Weder der generelle Beschäftigungsaufbau, noch die Zunahme sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung bei gleichzeitigem Rückgang von Minijobs haben etwas daran ändern können, dass sich atypische Beschäftigungsformen auch im Jahr 2015 weiter ausgebreitet haben. Ihr Anteil ist auf fast 40 Prozent gestiegen.

 

Mit ihrer regionalen Datenbank "Atypische Beschäftigung" dokumentiert das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung seit vielen Jahren bereits die Ausbreitung atypischer Beschäftigungsformen. Und seit ebenso vielen Jahren verzeichnet die Datenbank steigende Anteile von Teilzeitstellen, Leiharbeit und Minijobs an der Gesamtbeschäftigung. Stand zu Beginn des Jahres 2015 angesichts einer sich abzeichnenden kleinen Renaissance sozialversicherungspflichtiger Vollzeitjobs noch die Frage im Raum, ob es endlich zu einem Bedeutungsverlust atypischer Beschäftigung kommen würde (siehe 23.03.2015), so zeigen die jetzt bereitgestellten Daten Gegenteiliges.

 

Wie einer Pressemitteilung des WSI zu entnehmen ist, hat sich der Anteil atypischer Jobs an der Gesamtbeschäftigung auch 2015 wieder erhöht. Lag er 2014 bereits bei hohen 38,9 Prozent (siehe 13.04.2015), so waren 2015 rund 39,3 Prozent aller abhängigen Hauptbeschäftigungsverhältnisse (ohne Beamte und Selbständige) Teilzeitstellen, Minijobs und Beschäftigungsverhältnisse in der Leiharbeit. Das ist der höchste Stand seit 13 Jahren, obwohl erstmals seit vielen Jahren die Zahl der Minijobber im Haupterwerb sogar zurückging. Dies wurde aber kompensiert durch die stark gestiegene Zahl der Teilzeit- und Leiharbeiter.

 

 Entwicklung der Beschäftigungsformen 2007 bis 2015

Quelle: WSI-Datenbank "Atypische Beschäftigung"
Quelle: WSI-Datenbank "Atypische Beschäftigung"

 

Wie obige Grafik erkennen lässt, gab es den stärksten Anstieg bei der Teilzeitbeschäftigung. Sie stieg von knapp 7,62 Mio. im Jahr 2104 auf 8,05 Mio. in 2015. Ihr Anteil an allen abhängig Beschäftigten ereichte damit einen Wert von etwa 22,4 Prozent. Der Anteil der ausschließlich geringfügig Beschäftigten sank dagegen leicht auf 14,4 Prozent. Die Leiharbeit nähert sich mittlerweile zwar der 900.000 Marke, bleibt mit einem Anteil von 2,5 Prozent (nach 2,4 Prozent im Jahr 2014) aber von eher untergeordneter Bedeutung.

 

 Anteile atypisch Beschäftigter an allen abhängig Beschäftigten (in Prozent)

Anteile atypischer Beschäftigung
Quelle: WSI-Datenbank "Atypische Beschäftigung"

 

Der im Vergleich zu anderen Erhebungen auffällig hohe Wert im Segment der Teilzeitbeschäftigung beruht auf einer recht weit gefassten Definition von Teilzeitarbeit. Demnach gilt dem WSI jegliche Hauptbeschäftigung bereits dann als Teilzeitarbeit, wenn die regelmäßige Wochenarbeitszeit eines Arbeitnehmers kürzer ist als die einer vergleichbaren Vollzeitkraft. Andere Analysen zur atypischen Beschäftigung, wie sie etwa das Statistische Bundesamt regelmäßig vorlegt (vgl. 21.08.2015), sprechen erst dann von einem Teilzeitjob, wenn die wöchentliche Arbeitszeit weniger als 21 Stunden beträgt.

 

Die vom WSI berechnete Quote der atypischen Beschäftigung ist auch aus anderen Gründen grundsätzlich höher als jene, die das Statistische Bundesamt ausweist. Deren Analyse berücksichtigt nur die sogenannten Kernerwerbstätigen. Die häufig atypischen Beschäftigungsverhältnisse von Schülern, Studenten und Rentnern bleiben unbeachtet, während Selbstständige und mithelfende Familienangehörige mitgezählt werden (vgl. 27.04.2015).

 

Für die regionale Datenbank „Atypische Beschäftigung“ nutzt das WSI die neuesten verfügbaren Statistiken der Bundesagentur für Arbeit. So können alle abhängigen Beschäftigungsverhältnisse regional differenziert erfasst werden. Interessierte können somit nicht nur auf die Kennziffern für einzelne Bundesländer zugreifen, vielmehr kann auch für jeden Landkreis und jede kreisfreie Stadt Deutschlands der Anteil von Teilzeitarbeit, Leiharbeit und Minijobs an allen Beschäftigungsverhältnissen abgerufen werden.

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Quellen:

WSI-Pressemitteilung vom 26.04.2016

 

WSI-Datenbank „Atypische Beschäftigung“

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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