Aufstocker erwerbstätige Leistungsbezieher

Als Aufstocker werden umgangssprachlich jene Erwerbstätige bezeichnet, deren Einkommen aus Arbeit so gering ist, dass sie zur Sicherung ihres und ggf. des Lebensunterhaltes ihrer Familie auf zusätzliche Hartz IV-Leistungen (Arbeitslosengeld II) angewiesen sind. Finanzielle Unerstützung erhalten sowohl abhängig Erwerbstätige (Menschen in Minijobs bzw. in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung) als auch Personen, die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielen.

 

Die Zahl der Aufstocker ist seit Einführung der Grundsicherungsleistung 2005 zunächst kräftig in die Höhe geschnellt. Waren es im Jahresdurchschnitt 2007 schon 1,22 Millionen erwerbstätige LeistungsbezieherInnen, so stieg ihre Zahl ein Jahr später bereits auf 1,32 Millionen, um im Juni 2010 den Rekordwert von 1,40 Millionen zu erreichen. Seitdem geht die Zahl der Aufstocker leicht, aber stetig zurück, ein Trend der sowohl für alle erwerbstätigen Leistungsbezieher, als auch für die Gruppe der abhängig Erwerbstätigen (sozialversicherungspfl. und geringfügig Beschäftigte) beobachtet werden kann. Zuletzt (Sept. 2016) hat die Bundesagentur für Arbeit 1,19 Millionen  erwerbstätige AlG II-Bezieher gezählt. Ihr Anteil an allen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen betrug damit 27,6 Prozent.

 

 Entwicklung der Aufstockerzahlen von März 2010 bis Juni 2016

Aufstocker erwerbstätige Leistungsbezieher
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Analyse der Grundsicherung für Arbeitssuchende

 

Weniger Minijobber, aber mehr Teilzeitbeschäftigte stocken auf

 

Der Trend insgesamt abnehmender Zahlen bei den erwerbstätigen EmpfängerInnen von Hartz IV-Leistungen beruht seit Anfang 2011 vor allem auf einem Rückgang bei den Leistungsbeziehenden, die ausschließlich einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen. Anders sieht es bei den sozialversicherungspflichtig beschäftigten Aufstockern aus. Ihre Zahl legt seit einigen Jahren gegen den Trend wieder zu. Betroffen sind vor allem Teilzeitbeschäftigte. Ihr Anteil an allen BezieherInnen von Hartz IV-Leistungen stieg Ende 2015 auf den bislang höchsten gemessenen Wert von 9,2 Prozent.

 

Die meisten Aufstocker sind Singles

 

Einer Auswertung von Kerstin Bruckmeier u.a. zufolge bildeten im Jahr 2011 unter allen abhängig beschäftigten Aufstockern die Single-Haushalte mit einem Anteil von 34 Prozent die Mehrheit, gefolgt von Paaren mit Kindern (28 Prozent). Fast ein Viertel (23 Prozent) aller Aufstocker übte 2011 eine zumindest vollzeitnahe Beschäftigung (32 Stunden und mehr pro Woche) aus. 60 Prozent der Aufstocker arbeiteten weniger als 22 Stunden in der Woche (Bruckmeier u.a. 2013).

 

 Familienkonstellation von abhängig beschäftigten Aufstockern 2011

Aufstocker erwerbstätige Leistungsbezieher
Quelle: Bruckmeier u.a. (2013)

 

Vielfach nur geringe Erwerbseinkommen

 

Zwei Drittel (66 %) aller Aufstocker in Westdeutschland arbeiteten 2011 zu einem Bruttostundenlohn von weniger als 7,50 Euro. In Ostdeutschland lag ihr Anteil sogar bei 84 Prozent. Ihr durchschnittlicher Bruttostundelohn lag bundesweit bei 6,20 Euro (Bruckmeier u.a. 2013).

 

Das monatliche Bruttoerwerbseinkommen der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitslosengeld II-Bezieher (Voll- und Teilzeit) lag einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) zufolge in den letzten Erhebungsjahren (2011 und 2013) bei etwa 60.000 Personen im Bereich von 400 bis unter 500 Euro. Wie die Grafik unten zeigt, erzielten weitere 60.000 ein Bruttoeinkommen von 1.100 bis unter 1.300 Euro (Bundesagentur für Arbeit 2014:8).

 

 Sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitslosengeld II-Bezieher
 nach Höhe des Brutto-Erwerbseinkommens

 Quelle: Bundesagentur für Arbeit (2014:8)
Quelle: Bundesagentur für Arbeit (2014:8)

 

Wie aus der BA-Statistik außerdem hervorgeht, erzielten im Juni 2013 knapp 30.000 vollzeitbeschäftigte Arbeitslosengeld II-Bezieher nur ein Bruttoerwerbseinkommen von weniger als 600 Euro (Bundesagentur für Arbeit 2014:10). Selbst unter der Annahme einer 40-Stundenwoche liegt ihr Stundenlohn damit rechnerisch bei höchstens 3,50 Euro.

 

Dies alles weist darauf hin, dass der ausufernde Niedriglohnsektor in erheblichem Maße für die hohe Zahl an Aufstockern mitverantwortlich ist. Er zwingt einen großen Teil der Beschäftigten, Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitssuchende zu beantragen, weil sie von ihrem Einkommen allein nicht leben können.

 

MIndestlohn hilft den meisten Aufstockern wenig

 

An dieser Situation hat der seit Anfang 2015 geltende allgemeine gesetzliche Mindestlohn von derzeit 8,84 Euro/Stunde (brutto) nichts Grundlegendes ändern können, verbleibt er doch selbst unterhalb der Niedriglohnschwelle. Dennoch hat er zu einer weiteren Absenkung der Aufstockerzahlen beigetragen, wiewohl seine zu geringe Höhe bei den meisten Aufstockern natürlich weiterhin nicht reichen wird, eine durch Erwerbseinkommen allein gesicherte Existenz zu führen. Profitiert hat allerdings die öffentliche Hand. Die Geldsumme, die der Staat aufbringen muss, um Aufstocker-Haushalte auf Hartz IV-Niveau zu heben, ist um mehrere Hundert Millionen Euro gesunken.

 

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Bruckmeier, K. u.a. (2013): Aufstocker im SGB II: Steinig und lang - der Weg aus dem Leistungsbezug. IAB-Kurzbericht, Nr. 14/2013, Nürnberg. ->

 

Bruckmeier, K./ Wiemers, J. (2014): Begrenzte Reichweite: Die meisten Aufstocker bleiben trotz Mindestlohn bedürftig. IAB-Kurzbericht 07/2014, Nürnberg. ->

 

Bundesagentur für Arbeit (2014): Hintergrundinformation: Neue Ergebnisse zu sozialversicherungs-
pflichtig beschäftigten Arbeitslosengeld II-Beziehern in Vollzeit und Teilzeit (Jan. 2014), Nürnberg. ->

 

[zuletzt aktualisiert: Februar 2017]

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