Leiharbeit Zeitarbeit

 

LEIHARBEIT:

 

21/07/2017:

Auch 2016 hohe Wachstumsdynamik bei der Leiharbeit

(von Markus Krüsemann)

 

Im dritten Jahr in Folge eilt die Überlassungsbranche von Rekord zu Rekord. Eine gute konjunkturelle Entwicklung und der Hunger der Unternehmen nach billiger Verfügungsmasse ließ die Zahl der Leiharbeiter und der Verleihbetriebe auch 2016 weiter ansteigen - ein Boom, in dem kaum strukturelle Verschiebungen zu beobachten sind.

 

In den Betrieben und Unternehmen der Überlassungsbranche haben die Sektkorken sicher längst schon geknallt, denn das vergangene Jahr bescherte ihnen erneut traumhafte Wachstumsraten, und mit einem Personalpool auf Rekordhöhe lassen sich auch 2017 sicher wieder satte Gewinne einfahren. Hatten die Branchenführer noch im Mai 2016 nur „ein minimales Marktwachstum von 2,9 Prozent“ für 2016 erwartet, so mussten sie die im Januar 2017 veröffentlichten Zahlen aus der Bundesagentur für Arbeit für das erste Halbjahr 2016 schon optimistischer gestimmt haben. Mit einem dort ausgewiesenen Beschäftigungswachstum von 4,6 Prozent (gegenüber der ersten Jahreshälfte 2015) und einem Juni-Rekordwert von über eine Mio. LeiharbeiterInnen blieben die Anbieter klar auf dem seit Mitte 2013 eingeschlagenen Wachstumskurs (siehe 20.01.2017).

 

Die gestern von der Bundesagentur für Arbeit (BA) vorgelegten Zahlen zeugen von einem auch im zweiten Halbjahr 2016 anhaltenden Boom. So lag die Zahl der Leiharbeitsbeschäftigten Ende Dezember bei knapp 993.000, das sind gut 42.000 mehr Leihkräfte als im Vorjahresmonat. Das Plus von 4,4 Prozent reichte jedenfalls für den höchsten bislang gemessenen Dezemberwert. Und: Trotz der parallel verlaufenden Ausweitung auch der regulären sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung konnte die Leiharbeit ihren Anteil daran im Dezember noch einmal steigern. Ende 2016 waren 2,9 Prozent (2015: 2,8 %) der sozialversicherungspflichtig Beschäftigen in der Überlassungsbranche tätig. Im Jahresdurchschnitt wurde mit ebenfalls 2,9 Prozent der Wert des Vorjahres wieder erreicht.

 

Beschäftigte in der Leiharbeit Juni 2004 bis Dezember 2016

Entwicklung Leiharbeitsbeschäftigte 2004-2016
Quelle: Arbeitnehmerüberlassungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit

 

Ein Blick auf die Jahresdurchschnittswerte der Leiharbeitsbeschäftigung seit 2007 belegt den anhaltenden Boom. Sie zeigen, dass sich die Branche von der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 schnell hat erholen können. Ab 2013 (wegen einer Umstellung in der Erhebungsmethode sind die Zahlen ab 2013 nicht mit den Werten der Vorjahre vergleichbar) wird dann ein strammer Aufwärtstrend erkennbar.

 

 Leiharbeitsbeschäftigte im Jahresdurchschnitt 2007 bis 2016

Leiharbeitsbeschäftigte im Jahresdurchschnitt 2007-2016
Quelle: Arbeitnehmerüberlassungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit

 

Weiterhin überdurchschnittliches Beschäftigungswachstum

 

Was obige Grafik nicht zeigt: Die Verleiher konnten mit dem insgesamt anziehenden Wachstum der Beschäftigung nicht nur Schritt halten, sondern überdurchschnittliche Steigerungsraten erzielen. Während die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (Teil- und Vollzeit) zwischen 2013 und 2016 um nie mehr als 2,5 Prozent zulegen konnte, wartet die Beschäftigung in der Leiharbeit mit beeindruckenden halbjährlichen Wachstumsraten zwischen 3,5 und 7,6 Prozent auf. Man kann, ja man muss das als klares Anzeichen dafür werten, dass in der Entwicklung am Arbeitsmarkt etwas fundamental schief läuft (vgl. 19.05.2017).

 

 Wachstumsraten sozialvers.pflichtige und Leiharbeitsbeschäftigung (in Prozent)

Wachstumsraten Beschäftigung
Quelle: Arbeitnehmerüberlassungs- und Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit

 

Boom lässt Zahl der Verleihbetriebe weiter wachsen

 

Die seit Jahren zunehmende Nachfrage der Unternehmen nach billigen Leiharbeitskräften hat die Zahl an Betrieben der Arbeitnehmerüberlassung auch 2016 weiter ansteigen lassen. Für Dezember hat die BA mehr als 51.600 Betriebe ausgewiesen, das sind noch einmal 2,3 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Im Jahresvergleich stieg die Zahl der Anbieter um durchschnittlich 3,5 Prozent gegenüber 2015. Allerdings ist seit Mitte 2016 ein leichtes Nachlassen der Wachstumsdynamik zu verzeichnen. Die üppigen Zuwächse der Jahre 2014 und 2015 werden nicht mehr erreicht.

 

 Entwicklung der Zahl der Verleihbetriebe seit 2013

Verleihbetriebe 2013-2016
Quelle: Arbeitnehmerüberlassungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit

 

Auffällig ist, dass das Wachstum der letzten Jahre nicht mit einer Veränderung der bislang recht kleinteiligen Branchenstruktur einhergeht. Auch Ende 2016 waren nach Angaben der BA 76 Prozent der Unternehmen Kleinbetriebe mit weniger als zehn Beschäftigten, während erneut nur 5 Prozent der Verleihunternehmen 100 und mehr ArbeitnehmerInnen beschäftigten. Ebenfalls unverändert: Von den insgesamt knapp 40.000 Kleinbetrieben hatten ca. 90 Prozent ihren wirtschaftlichen Schwerpunkt nicht in der Arbeitnehmerüberlassung. Mit steigender Betriebsgröße kehrt sich das Verhältnis allerdings schnell um. Bei 91 Prozent der gut 1.300 Unternehmen, die 150 und mehr LeiharbeitnehmerInnen beschäftigten, bildete die Arbeitnehmerüberlassung den Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit.

 

Branchenschwerpunkte kaum verändert

 

Die weitgehende Konstanz der Betriebsstrukturen ist mit Abstrichen auch für die Branchenstruktur kennzeichnend. Auffällige Verschiebungen gibt es nicht, auch wenn dem generellen Strukturwandel folgend immer mehr LeiharbeitnehmerInnen im Dienstleistungsbereich eingesetzt werden. Die meisten Leihkräfte (252.000) fanden sich im Dezember 2016 wieder mal im Sektor „Verkehr und Logistik“, dem mit einem Plus von 9,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat wachstumsstärksten Bereich. Davon waren fast 238.000 allein in Berufen der Lagerwirtschaft tätig, immerhin 23,9 Prozent aller Leihbeschäftigten.

 

Die trotz allem immer noch hohe Bedeutung der Produktionsberufe spiegelt sich in der Tatsache wider, dass der Wirtschaftszweig „Metallerzeugung und -bearbeitung, Metallbau“ weiterhin mit fast 146.000 Personen die zweitgrößte Zahl an Leihkräften beschäftigt. Das Personalwachstum lag hier allerdings nur bei 2,1 Prozent. Zu den weiteren bedeutenden Einsatzgebieten für LeiharbeiterInnen zählen die Bereiche „Maschinen- und Fahrzeugtechnikberufe“ (76.000; +4,4 %), „Büro und Sekretariat“ (41.000; +1,1 %) sowie „Kunststoff- und Kautschukherstellung und -verarbeitung“ (32.000; +3,2 %). Auch das war in den Vorjahren kaum anders.

_________________

 

Quellen:

- Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2017): Arbeitnehmerüberlassung, Leiharbeitnehmer und Verleihbetriebe, 2. Halbjahr 2016, Juli 2017, Nürnberg.

 

- Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2017): Blickpunkt Arbeitsmarkt– Aktuelle Entwicklungen der Zeitarbeit, Juli 2017, Nürnberg.

 

- Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2017): Tabellen, Beschäftigung nach Ländern in wirtschaftsfachlicher Gliederung (WZ 2008), Stichtag 30.04.2017, Nürnberg.

_______________________________________________________________________

 

Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

zurück