Leiharbeit Arbeitnehmerüberlassung

 

LEIHARBEIT:

 

20/01/2017:

Summertimeblues 2016: Eine Million Leiharbeiter

(von Markus Krüsemann)

 

Der Arbeitsmarkt im Sommer 2016 war nicht nur eitel Sonnenschein. Die rasch und stetig weiter wachsende Zahl an LeiharbeiterInnen warf einen deutlichen Schatten. Bereits zur Jahresmitte wurde die Millionenmarke überschritten. Seit 2014 schon wächst die Überlassungsbranche wieder kräftig und unaufhaltsam. Ohne echte politische Regulierung dürfte sich daran nichts ändern.

 

Etwas mehr als eine Million Leiharbeitsbeschäftigte hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) Ende Juni 2016 gezählt. Das ist ein Rekordwert für die Jahresmitte. Die Millionenmarke wurde zuvor erst drei Mal erreicht, von August bis Oktober 2015, saisonal betrachtet waren dies immer schon die stärksten Monate. Nun also erstmals auch im Juni ein siebenstelliger Wert. Der seit der Umstellung auf ein neues Erhebungsverfahren (siehe 20.01.2016) deutlich erkennbare Aufwärtstrend bei der Leiharbeit hält nun bereits seit zwei Jahren an (vgl. 20.07.2016).

 

Gegenüber dem Vorjahresmonat stieg die Zahl der LeiharbeiterInnen um knapp 45.000, das ist ein Plus von 4,6 Prozent. Der Anteil der Leihkräfte an allen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten stieg damit von 2,8 Prozent im Januar 2016 auf 3,0 Prozent, auch dies ein Wert, der so früh im Jahr noch nicht erreicht worden ist. Dies alles deutet bereits jetzt darauf hin, dass am Ende des Jahres eine neue Rekordmarke erreicht werden dürfte.

 

 Beschäftigte in der Leiharbeit Juni 2004 bis Juni 2016

Entwicklung der Leiharbeit bis Juni 2016
Quelle: Arbeitnehmerüberlassungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit

 

Traumhafte Wachstumsraten

 

Seit Mitte 2103 wartet die Branche in puncto Beschäftigung mit beeindruckenden halbjährlichen Wachstumsraten zwischen 3,5 und 7,6 Prozent auf. Von einer solchen Expansion können andere Wirtschaftszweige nur träumen. Angesichts solcher Zahlen dürfte es den Verteidigern der Leiharbeit kaum noch gelingen, das Beschäftigungsplus mit dem Label „Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze“ zu versehen. Nein, hier werden offensichtlich in großem Maße auch reguläre Stellen durch Leiharbeitsjobs ersetzt.

 

 Wachstumsraten Beschäftigung in Leiharbeit (in Prozent)

Wachstumsraten Leiharbeitsbeschäftigung seit 2013
Quelle: Arbeitnehmerüberlassungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit

 

Zahl der Verleihbetriebe wächst kräftig mit

 

Der offensichtlich noch lange nicht gestillte Hunger der Wirtschaft nach billigen Ex und Hopp-Leihkräften lässt auch die Zahl der Verleihbetriebe kräftig wachsen. Nachdem die BA bereits im Vorjahr über 50.000 Betriebe gezählt hatte, waren es im März 2016 schon mehr als 51.000. Mit über 52.000 Überlassungsbetrieben wurde Ende Juni auch hier ein neuer Höchststand erreicht, ein Plus von 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Mehr als drei Viertel von ihnen sind übrigens Kleinbetriebe, die weniger als zehn LeiharbeitnehmerInnen für sich arbeiten lassen. In 94 Prozent der Fälle handelt es sich dabei um Betriebe, in denen die Arbeitnehmerüberlasung nicht den Schwerpunkt der Geschäfttstätigkeit bildet.

 

 Entwicklung der Zahl der Verleihbetriebe seit 2013

Entwicklung Anzahl Verleihbetriebe seit 2013
Quelle: Arbeitnehmerüberlassungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit

 

Branchenschwerpunkte

 

Leiharbeitsbeschäftigte sind in allen Wirtschaftszweigen zu finden, doch gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Branchen, und die haben auch damit zu tun, dass LeiharbeitnehmerInnen häufiger in Tätigkeiten zu finden sind, die mit einem niedrigen Anforderungsniveau verbunden sind. Immerhin mehr als jede/r Zweite übt nach Angaben der BA nur eine Helfertätigkeit aus. Auch haben Leihkräfte überdurchschnittlich häufig keinen Berufsabschluss. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass ein Teil der verliehenen Helfer/Innen durchaus eine berufliche Qualifizierung aufweisen kann, mithin unterhalb des Qualifikationsniveaus eingesetzt wird.

 

Mit 308.000 Personen arbeitete Ende Juni 2016 die weitaus größte Zahl der Leiharbeitsbeschäftigten im Bereich „Verkehr, Logistik, Sicherheit und Reinigung“ (232.000 von ihnen in Berufen der Lagerwirtschaft). Die Metall- und Elektrobranche hatte weitere 285.000 Personen leihweise unter Vertrag. Beide Bereiche beschäftigten damit zusammen 59 Prozent aller LeiharbeiterInnen. Weitere 13 Prozent sind in den übrigen Fertigungsberufen und der Landwirtschaft zu finden, wobei die Land-, Forst- und Tierwirtschaft einen sehr geringen Bedarf an Leihkräften hat und im Juni 2016 weniger als 7.000 Personen ausgeliehen hat.

 

Fazit

 

Das Lohndumpingmodell Leiharbeit ist ungehindert auf dem Vormarsch. Weder der seit Januar 2012 geltende Leiharbeitsmindestlohn (siehe 20.12.2011), noch die in verschiedenen Wirtschaftsbereichen vereinbarten Branchenzuschläge (siehe 30.10.2013) konnten der Attraktivität des Modells, nahezu beliebig flexibel auf Billigkräfte zurückgreifen zu können, etwas anhaben. Auch die bald in Kraft tretende Gesetzesnovelle zur vorgeblich stärkeren Regulierung der Leiharbeit wird daran nichts ändern. Als Pseudoreform (siehe 02.06.2016) löst sie die Probleme nicht und wird weitgehend wirkungslos verpuffen.

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Quellen:

Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2017): Arbeitnehmerüberlassung, Leiharbeitnehmer und Verleihbetriebe, 1. Halbjahr 2016, Januar 2017, Nürnberg.

 

Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2017): Blickpunkt Arbeitsmarkt– Aktuelle Entwicklungen der Zeitarbeit, Januar 2017, Nürnberg.

 

Weiterlesen:

 

- Aktuelle Entwicklungen in der Leiharbeit. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus Ernst, Sabine Zimmermann (Zwickau), Jutta Krellmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE, BT-Drucksache 18/9557 (09/2016).

 

- Absenger, N./ Priebe, A. u.a. (2016): Leiharbeit und Werkverträge – Das aktuelle Reformvorhaben der Bundesregierung, WSI-Report Nr. 32, 10/2016, Düsseldorf.

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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