Teilzeitarbeit Teilzeitbeschäftigung

 

TEILZEIT:

 

01/12/2017:

Warum viele Erwerbstätige unfreiwillig in Teilzeit arbeiten

(von Markus Krüsemann)

 

Gut jeder zehnte Erwerbstätige muss sich statt des gewünschten Vollzeitjobs mit einer Teilzeitstelle begnügen. Über die Jahre hat derart unfreiwillige Teilzeit zwar an Bedeutung verloren, doch ein nur auf diese Form der Unfreiwilligkeit fokussierter Blick übersieht eine Reihe von weiteren Zwängen, die vor allem Frauen in die ungewünschte Teilzeit treiben.

 

Während die Zahl der Teilzeitbeschäftigten seit Jahren kräftig und stetig ansteigt (siehe 08.03.2017), scheint das Problem der unfreiwilligen Teilzeit nach und nach an Bedeutung zu verlieren. Das zumindest legen Zahlen aus dem Mikrozensus nahe. Wie der Donaukurier kürzlich berichtete, hätten im Jahr 2016 etwa 1,3 Millionen Erwerbstätige in Teilzeit gearbeitet, weil sie keine Vollzeitstelle gefunden hätten. Das sind immer noch zu viele, denn mit einem Anteil von 11,2 Prozent an allen Teilzeitkräften ist mehr als jeder/m Zehnten der Weg zum Vollzeitjob versperrt. Allerdings ist ihre Zahl nun schon seit seit mehreren Jahren rückläufig. Gegenüber dem Vorjahr beträgt das Minus zwar nur 163.000 Personen, doch im Vergleich zu 2008, als mit 2,2 Millionen unfreiwilligen Teilzeitkräften ein Höchststand seit der Wiedervereinigung erreicht worden war, ist ihre Zahl um 910.000 geschrumpft, so der Donaukurier.

 

Grundlage des Berichts bilden die Ergebnisse der jährlich durchgeführten Arbeitskräfteerhebung, eine in den Mikrozensus integrierte Befragung zu den Arbeitsbedingungen. Als unfreiwillig wird Teilzeit hier nur dann kategorisiert, wenn die nach den Gründen für die Teilzeitbeschäftigung befragten ArbeitnehmerInnen angeben, sie seien nur deshalb auf Teilzeit ausgewichen, weil eine Vollzeittätigkeit nicht zu finden gewesen sei. Zu den anderen abgefragten Gründen, sich mit Teilzeit zu begnügen, gehören die Betreuung von Kindern, andere familiäre Verpflichtungen, aber auch Krankheit oder Ausbildung, Motive also, die in Teilen ebenfalls eine gewisse Form der unfreiwilligen Wahl implizieren. Dazu später mehr.

 

Abhängig Erwerbstätige finden statt Teilzeit wieder öfter einen Vollzeitjob

 

Wie ein vertiefter Blick auf die Arbeitskräfteerhebungen der vergangen Jahre zeigt, hat sich auch in der zentralen Teilgruppe, die abhängig Erwerbstätigen, die Zahl der unfreiwillig in Teilzeit Beschäftigten reduziert. Den vom Statistischen Bundesamt bereitgestellten Veröffentlichungen zufolge hatten 2013 noch knapp 1,52 Mio. Teilzeitkräfte nach eigenen Angaben nicht den gewünschten Vollzeitjob finden können. 2016 waren es weniger als 1,24 Millionen. Zu dieser positiven Entwicklung hat ganz wesentlich beigetragen, dass im gleichen Zeitraum auch das Angebot an sozialversicherungspflichtigen Vollzeitstellen gestiegen ist. Mit dem zeitgleich stattfindenden weiteren Ausbau der Teilzeitbeschäftigung ist der Anteil der unfreiwilligen Teilzeitkräfte noch kräftiger geschrumpft als ihre absolute Zahl, und zwar von 15,2 in 2013 auf 11,7 Prozent im Jahr 2016.

 

 Abhängig Erwerbstätige in Teilzeit 2013 bis 2016 (in 1.000)

Entwicklung der Teilzeitarbeit 2013 bis 2016
Quelle: Statist. Bundesamt: Fachserie 1, Reihen 4.1 (2016) und 4.1.1 (2013-15)

 

Die insgesamt positive Entwicklung ist nicht in allen Berufsbereichen gleich stark ausgeprägt. Während etwa im Berufsbereich „Unternehmensorganisation, Buchhaltung, Recht und Verwaltung“ nur noch 4,8 Prozent aller abhängig Teilzeitbeschäftigten unfreiwillig auf eine Vollzeitstelle verzichten müssen, liegt ihr Anteil im Bereich „Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit“ bei hohen 17,6 Prozent. Im Bereich „Bau, Architektur, Vermessung und Gebäudetechnik“ ist mit 19,6 Prozent sogar jede/r fünfte Teilzeitkraft betroffen. Hier spielt Teilzeit aber eine insgesamt eher untergeordnete Rolle.

 

Wie freiwillig arbeiten Frauen in Teilzeit?

 

Sehr viel aufschlussreicher ist eine geschlechtsspezifische Betrachtung, denn Teilzeitarbeit ist eine ausgeprägte Frauendomäne. So waren 2016 nur 10,8 Prozent aller abhängig erwerbstätigen Männer, aber 47,8 Prozent aller Frauen in Teilzeit beschäftigt. Von unfreiwilliger Teilzeit waren allerdings die Männer stärker betroffen. 16,9 Prozent der männlichen Teilzeitkräfte gab 2016 an, nicht den gewünschten Vollzeitjob gefunden zu haben. Bei den Frauen mussten sich „nur“ 9,5 Prozent mangels Vollzeitstelle mit Teilzeit begnügen. Arbeiten Frauen aber wirklich so viel häufiger aus freien Stücken nur in Teilzeit? Für eine differenzierte Antwort müssen die oben angesprochenen übrigen Hinderungsgründe mit berücksichtigt werden, denn, so die Sozialwissenschaftlerin Susanne Wanger in einer Analyse vom Februar 2015, die Ursachen für das reduzierte Stundenvolumen differieren stark zwischen den Geschlechtern (siehe 19.02.2015).

 

Bei den abhängig beschäftigten Frauen spielen andere Zwänge als der nicht verfügbare Vollzeitjob eine sehr viel entscheidendere Rolle dafür, dass sie auf eine Vollzeitstelle verzichten (müssen). So begründeten 26,9 Prozent der teilzeiterwerbstätigen Frauen ihre Wahl damit, dass sie wegen der Kinderbetreuung kürzer träten, ein Motiv, dass nur bei 3,1 Prozent der männlichen abhängig Teilzeitbeschäftigten den Ausschlag gab. Ähnlich verhält es sich bei den familiären Verpflichtungen. 20,2 Prozent der Frauen, aber nur 6,3 Prozent der Männer begründeten damit ihren Verzicht auf die Vollzeitstelle. Die Aussagen korrespondieren mit den Befunden eines IAQ-ForscherInnenteams, wonach Lebensphase und Familienstand vor allem bei Frauen in den westdeutschen Bundesländern die stärksten Arbeitszeitdeterminanten sind.

 

 Abhängig Teilzeitbeschäftigte 2016 nach Motivlage (in 1.000)

Motive von Teilzeitbeschäftigten
Quelle: Statist. Bundesamt: Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung - Fachserie 1 Reihe 4.1

 

Fasst man alle drei Motive (keine Vollzeitstelle verfügbar, Kinderbetreuung, familiäre Verpflichtungen) zu einer erweiterten Form der Unfreiwilligkeit zusammen, so zeigt sich vor allem bei den Frauen ein stark verändertes Bild von Freiwilligkeit. Dann nämlich wären im Jahr 2016 insgesamt 57,5 Prozent der Frauen (Männer: 26,4 %) nicht aus völlig freier Wahl abhängig in Teilzeit beschäftigt gewesen. Das ist natürlich eine rechnerische Größe, die insofern fiktiv ist, als nicht alle Frauen, selbst bei einer optimalen infrastrukturellen Versorgung mit Betreuungsangeboten, Aufgaben in der Familie bzw. Haushaltsgemeinschaft mit einem Vollzeitjob kombinieren würden. Hier spielen die weiterhin strukturprägenden Vorgaben eines Normallebensverlaufs und die damit verbundenen traditionellen Erwerbsmuster und Rollenbilder eine motivprägende Rolle. Nach Angaben von Wanger machten aber immerhin knapp 20 Prozent der Frauen, die wegen der Betreuung von Kindern (und/oder pflegebedürftigen bzw. behinderten Angehörigen) beruflich kürzer traten, die unbefriedigende Betreuungssituation für die Teilzeittätigkeit verantwortlich. Ein klarer Hinweis darauf, dass auf jeden Fall mehr als den statistisch ausgewiesenen 9,5 Prozent der Wunsch nach einer Vollzeiterwerbstätigkeit verwehrt bleibt.

 

Erwerbsarbeit anders und geschlechtsneutral verteilen

 

Auch wenn die sogenannte unfreiwillige Teilzeit auf dem Rückzug ist, bestehen noch immer viele Hürden, die vor allem Frauen eine Teilhabe am Arbeitsmarkt erschweren. Gegen einige Formen der erweiterten Unfreiwilligkeit ist übrigens ein Kraut gewachsen, es nennt sich politische Regulierung. Zweifellos sind hier erste kleinere Erfolge (Elterngeld, Rechtsanspruch auf einen KiTa-Platz) im Hinblick auf eine gesteigerte Erwerbstätigkeit von Frauen erkennbar. Doch die immer wieder gern beschworene bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erfordert ein weitgreifenderes und entschlosseneres Drehen an den Stellschrauben für einen familienfreundlicheren Arbeitsmarkt. Dazu gehören der Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten und ein wesentlich verbessertes Angebot zur ambulanten Betreuung pflegebedürftiger älterer Menschen ebenso wie eine Überarbeitung des Steuerrechts, um die steuerliche Bevorteilung von Einverdiener- bzw. Haupternährerhaushalten durch das Ehegattensplitting abzuschaffen.

 

Bei der Veränderungen der geschlechtsspezifischen Arbeitszeitstrukturen hin zu einer gesteigerten Arbeitsmarktpartizipation von Frauen geht es aber um mehr als die berufliche Gleichberechtigung. So sehr Teilzeitarbeit eine Alternative bietet, Erwerbstätigkeit und private Lebensgestaltung besser vereinbaren zu können, so sehr ist sie leider auch weiterhin mit erheblichen Prekaritätsrisiken verbunden. Oft sind die Löhne zu niedrig, um mit reduzierter Stundenzahl ein existenzsicherndes Auskommen zu erzielen. Und selbst wer aktuell vom Teilzeitjob einigermaßen Leben kann, für eine auskömmliche Rente reicht es meist nicht, weil auch nach vielen Versicherungsjahren eine eigenständige Alterssicherung nicht erreicht werden kann.

 

Das beschäftigungspolitische Ziel kann allerdings nicht ‘Vollzeit für alle’ lauten. Dank des technischen und arbeitsorganisatorischen Fortschritts muss längst weniger gesellschaftlich notwendige Arbeit zur Erzielung eines angemessenen Wohlstandes (für alle!) verausgabt werden, als es der Begriff des Normalarbeitsverhältnisses suggeriert. Im Sinne einer vernünftigen Verteilung der Erwerbsarbeit wäre die „große Teilzeit für alle“ eine vernünftige Lösung. Stattdessen beruhen das Beschäftigungssystem und die daran gekoppelten sozialen Sicherungssysteme immer noch auf der Norm einer ununterbrochenen, jahrzehntelangen Vollzeitbeschäftigung, mit all seinen bekannten Nachteilen, die, wie hier beschrieben, Frauen ganz besonders betreffen.

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Quellen:

Statistisches Bundesamt (2017): Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung: Ergebnisse des Mikrozensus zum Arbeitsmarkt. Fachserie 1 Reihe 4.1, Berlin.

 

Wanger, S. (2015): Traditionelle Erwerbs- und Arbeitszeitmuster sind nach wie vor verbreitet. IAB- Kurzbericht 04/2015, Nürnberg.

 

Kümmerling, A./ Postels, D./ Slomka, C. (2015): Arbeitszeiten von Männern und Frauen - alles wie gehabt? Analyse zur Erwerbsbeteiligung in Ost- und Westdeutschland. IAQ-Report, Nr. 02/15, Duisburg.

 

„Immer weniger unfreiwillig in Teilzeit“, Donaukurier online vom 27.11.2017.

 

„Nur wenige Väter arbeiten wegen der Kinder in Teilzeit“, RP online vom 29.11.2017.

 

Weiterlesen:

 

- "Der Heiratsmarkt bezahlt Frauen besser als der Arbeitsmarkt", Zeit.de vom 27.08.2017.

 

- Rengers, M./ Bringmann, J./ Holst, E. (2017): Arbeitszeiten und Arbeitszeitwünsche: Unterschiede zwischen Mikrozensus und SOEP. In: WISTA – Wirtschaft und Statistik, Nr. 4, S. 11-43.

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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