Lohnuntergrenzen

 

MINDESTLÖHNE:

 

01/11/2017:

Agrarbranche zahlt zwei Monate lang mindestens 9,10 Euro

(von Markus Krüsemann)

 

Kurioses gibt es in Sachen Branchenmindestlohn von der Agrarbranche zu vermelden. Für die nächsten zwei Monate wird die Lohnuntergrenze auf 9,10 Euro angehoben. Ab 2018 gilt dann nur noch der allgemeine gesetzliche Mindestlohn von 8,84 Euro. Immerhin ist dann aber Schluss mit den Ausnahmeregelungen.

 

Seit Januar dieses Jahres gilt für ArbeitnehmerInnen in den Betrieben der Land- und Forstwirtschaft sowie des Gartenbaus, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages zur Regelung der Mindestentgelte für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau der Bundesrepublik Deutschland fallen, ein bundeseinheitlicher Branchenmindestlohn von 8,60 Euro. Seit Januar dieses Jahres gilt aber auch ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn von 8,84 Euro pro Stunde (siehe 01.01.2017). Dass die Branche bisher trotzdem satte 24 Cent weniger zahlen durfte, hat mit einer der sowieso viel zu zahlreichen Ausnahmeregelungen des Mindestlohngesetzes (siehe 01.01.2015) zu tun. In diesem Fall profitiert der Wirtschaftszweig von einer in § 24 MiLoG fixierten Übergangsregelung. Demnach sind noch bis Ende 2017 nach unten abweichende Lohnvereinbarungen möglich, wenn sie auf einem allgemein verbindlich gemachten Tarifvertrag repräsentativer Tarifvertragsparteien beruhen. Seit Januar 2017 darf allerdings ein Entgelt von brutto 8,50 Euro je Zeitstunde nicht mehr unterschritten werden. Das passt also, und das ist natürlich kein Zufall.

 

Doch das ist nicht die einzige Sonderbarkeit der Branche. Vom heutigen Tag an gilt nämlich ein um 50 Cent auf 9,10 Euro erhöhter Mindeststundensatz, der schon zwei Monate später wieder verschwinden wird. Dann fallen die nach Mindestentgelt bezahlten Beschäftigten auf den gesetzlichen Mindestlohn von 8,84 Euro zurück, zumindest dann, wenn ihre Arbeitgeber nicht freiwillig bereit sind, an der aktuellen Lohnhöhe festzuhalten.

 

Die zeitlich so starke Befristung der Lohnerhöhung ist insofern Bestandteil des Tarifvertrags, als dieser (nach ordentlicher Kündigung) nur eine Laufzeit bis Ende 2017 hat. Zeitgleich läuft auch die 1. Rechtsverordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft aus, in der die Allgemeinverbindlichkeit der Entgeltregelung fixiert ist. Und da es keinen Anschlusstarifvertrag gibt, müssen sich die Betriebe ab Januar 2018 nur noch an die Vorgaben des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns halten, der bekanntlich ein Stundenentgelt von 8,84 Euro vorschreibt. Für die Beschäftigten bedeutet das: Auf das aktuelle Lohnplus von recht erquicklichen 5,8 Prozent folgt dann im Januar ein Minus von 2,9 Prozent, sodass sie mit Ausnahme des kurzen Intermezzos am Ende nur 2,8 Prozent mehr in der Tasche haben werden.

 

Immerhin ist dann aber Schluss mit allen Ausnahmen und Kuriositäten. Ab 2018 sind auch per Tarifvertrag keine Abweichungen vom Mindestlohn nach unten mehr möglich. Nach oben steht es Branchen natürlich frei, mit Gewerkschaften Vereinbarungen über höhere Mindestentgelte zu treffen. Für den Bereich Landwirtschaft/Gartenbau wäre dass aber wohl wieder die nächste Kuriosität. Übrigens ist nicht bekannt, wie viele Betriebe der Agrarbranche den aktuellen Mindestlohn trotzdem beibehalten werden.

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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