Mindestlohn Mindestlöhne Lohnuntergrenze

 

MINDESTLÖHNE:

 

01/01/2017:

Das alles ändert sich bei den Mindestlöhnen

(von Markus Krüsemann)

 

Das neue Jahr bringt etliche Änderungen bei den Mindestlöhnen. Der gesetzliche Mindestlohn steigt um vier Prozent auf 8,84 Euro (brutto). Zudem werden in einigen Branchen die tariflich ausgehandelten Mindestlöhne angehoben. Die Ausnahmen vom Mindestlohn bleiben bestehen, und auch Stundenlöhne unter 8,84 Euro sind dieses Jahr noch möglich.

 

Nach Einführung einer allgemein verbindlichen Lohnuntergrenze im Januar 2015 wird dieser Mindestlohn erstmals angehoben. Er steigt von 8,50 auf 8,84 Euro je Stunde (brutto). Grundlage für die auch in Zukunft alle zwei Jahre vorgesehene Anpassung bildet ein Beschluss der Mindestlohnkommission vom 28.6.2016. Mit dem Lohnplus von vier Prozent verdienen Vollzeitbeschäftigte bei einer 40-Std.-Woche jetzt 59 Euro mehr im Monat. Abzüglich Steuern werden sie von der äußerst moderaten Lohnanhebung also keine großen Sprünge machen können. Größere Erhöhungen waren aber von Anfang an nicht vorgesehen, denn die Mindestlohnkommission wurde ganz gezielt so konstruiert, dass nur kleine Anpassungsschritte möglich sind (siehe 29.06.2016).

 

Gesamtwirtschaftlich betrachtet sieht die Sache etwas rosiger aus: Nach Zahlen aus der Verdienststrukturerhebung 2014 hatten immerhin ca. vier Millionen Geringverdiener Anfang 2015 von der Mindestlohneinführung profitieren können (siehe 06.04.2016). Wie viele es nach der Anhebung sein werden, ist ungewiss, da einerseits einige Erwerbstätige hinzukommen werden, andere hingegen zwischenzeitlich in besser bezahlte Jobs gewechselt haben dürften. Gewiss hingegen ist ein Kaufkraftgewinn bei den ArbeitnehmerInnen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) rechnet mit einem Plus von mindestens 50 Millionen Euro jährlich. Auch die öffentliche Hand profitiert in Form von Mehreinnahmen bei den Steuern und in den Sozialversicherungssystemen.

 

Ausnahmen vom Mindestlohn weiterhin möglich

 

Weniger erfreulich bis ärgerlich, ja unsinnig: Es gibt weiterhin noch einige Ausnahmen, die dafür sorgen, dass auch 2017 noch Löhne unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns möglich sind. Zum einen gelten natürlich alle per Gesetz vorgesehen Ausnahmen weiterhin. Keinen Anspruch auf Mindestlohn haben demnach:

 

- Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung;

 

- Auszubildende in betrieblicher Ausbildung;

 

- Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten nach Beschäftigungsaufnahme;

 

- Praktikant/innen (aus Schule, Ausbildung oder Studium) bei Pflichtpraktika oder bei
  freiwilligen Praktika mit einer Dauer von bis zu drei Monaten;

 

- Jugendliche, die sich in einer Einstiegsqualifizierung als Vorbereitung zu einer Berufsausbildung
   befinden oder an einer anderen Berufsbildungsvorbereitung teilnehmen;

 

Zum anderen können dieses Jahr letztmalig nach unten abweichende Entgeltregelungen greifen, sofern sie im Rahmen eines Tarifvertrags repräsentativer Tarifvertragsparteien getroffen wurden. Allerdings dürfen auch nach diesen abweichenden Regelungen keine Stundenlöhne unter 8,50 Euro mehr gezahlt werden.

 

Zu den drei noch verbliebenen Branchen, die davon Gebrauch machen, zählt zunächst die Branche der Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft: In Wäschereibetrieben für Großkunden gilt noch bis Ende September 2017 ein Branchenmindestlohn von 8,75 Euro. Branche Nummer zwei ist die Land- und Forstwirtschaft sowie der Gartenbau: Bis Ende Oktober 2017 liegt das Mindestentgelt bundesweit noch bei 8,60 Euro, um dann auf 9,10 Euro zu steigen. Schließlich gilt in der Fleischindustrie noch bis Ende des Jahres der bundesweite Branchenmindestlohn von 8,75 Euro.

 

Die letzte Ausnahme betrifft die Zeitungszusteller. Sie haben ab heute Anspruch auf einen Stundenlohn von mindestens 8,50 Euro. Erst ab Januar 2018 werden auch sie unter die aktuelle gesetzliche Mindestlohnregelung fallen.

 

Ein sauberer Strich ist das nicht. Der wird erst Anfang 2018 gezogen. Erst dann gilt in wirklich allen Branchen der gesetzliche Mindestlohn, falls er denn höher ist als der Branchenmindestlohn.

 

In diesen Branchen steigen zudem die tariflichen Mindestlöhne

 

Wie schon im vergangenen Jahr (siehe 01.01.2016), so werden auch diesmal zu Jahresbeginn in etlichen Branchen die Mindestlöhne angehoben. Solche Branchenmindestlöhne sind dort möglich, wo Tarifpartner einzelner Branchen sich in einem bundesweit repräsentativen Tarifvertrag auf Mindestlöhne verständigen und anschließend einen Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit stellen. Als Rechtsgrundlage fungieren dann vom Bundeskabinett gebilligte Mindestlohnverordnungen. Durch sie werden die Mindestlöhne für alle Arbeitgeber in der jeweiligen Branche bindend.

 

- Arbeitnehmerüberlassung

 

Statt auf Equal Pay zu setzen, hat die DGB Tarifgemeinschaft Leiharbeit lieber neue Mindestlöhne für die LeiharbeitnehmerInnen ausgehandelt. Während für Beschäftigte in Westdeutschland der Mindestlohn (Entgeltgruppe 1) zunächst (bis März 2017) unverändert bleibt, erhalten ostdeutsche Beschäftigte ab heute einen höhere Stundenlohn. Der Mindestlohn Ost steigt von 8,50 auf 8,84 Euro, ein Plus von vier Prozent. Im März 2017 wird es im Osten wie im Westen eine weitere leichte Erhöhung der jeweiligen Mindestlöhne geben. Die endgültige Angleichung der Ost- an die Westgehälter wird aber noch lange auf sich warten lassen. Sie wird erst zum 01.04.2021 vollzogen.

 

- Aus- und Weiterbildung

 

Für das pädagogische Personal in der beruflichen Aus- und Weiterbildung gilt ab heute eine bundesweite Lohnuntergrenze von 14,60 Euro. Damit ist auch in dieser Branche Entgeltgleichheit erzielt worden. Die Verdienststeigerung beträgt für Beschäftigte in Westdeutschland (einschl. Berlin) 4,3 Prozent, in Ostdeutschland steigt der Branchenmindestlohn sogar um 8,2 Prozent.

 

Der vereinbarte Mindestlohn gilt für pädagogisches Personal, das überwiegend Erwerbslose oder von Erwerbslosigkeit bedrohte Menschen nach den Sozialgesetzbüchern II und III aus- und weiterbildet. Er erstreckt sich auch auf Aus- und Weiterbildungsunternehmen, die nicht tariflich gebunden sind sowie - nach § 7 Arbeitnehmer-Entsendegesetz - auf Beschäftigte, die von Arbeitgebern mit Sitz im Ausland entsendet werden.

 

- Baugewerbe

 

Für die Gruppe der Werker / Maschinenwerker im Bauhauptgewerbe gilt jetzt erstmals ein bundesweit einheitlicher Mindestlohn in Höhe von 11,30 Euro. Für die Beschäftigten in den westdeutschen Bundesländern (einschl. Berlin) sind das gerade einmal 5 Cent oder mickrige 0,4 Prozent mehr Stundenlohn. Für die Beschäftigten in den ostdeutschen Bundesländern steigt der Lohn um 25 Cent bzw 2,3 Prozent.

 

Für die Beschäftigten der Lohngruppe 2 (Fachwerker / Maschinisten / Kraftfahrer) erhöht sich der Mindestlohn um 1,7 Prozent. In den westdeutschen Bundesländern steigt er von 14,45 auf 14,70 Euro, in Berlin von 14,30 auf 14,55 Euro. In Ostdeutschland gibt es keine Lohngruppe 2.

 

- Dachdeckerhandwerk

 

Im Dachdeckerhandwerk ist die Entgeltgleichheit bereits 2016 erreicht worden. Hier steigt der Mindestlohn diesmal von 12,05 Euro auf 12,25 Euro, ein Plus von eher mageren 1,7 Prozent.

 

- Elektrohandwerk

 

Im Bereich Montage tätige Betriebe des Elektrohandwerks müssen ihren Beschäftigten in Westdeutschland jetzt mindestens 10,65 Euro zahlen nach zuvor 10,35 Euro. In den ostdeutschen Bundesländern (einschl. Berlin) steigt der Mindestlohn von 9,85 auf 10,40 Euro. Ab Januar 2018 wird die Branche dann einen bundesweit einheitlichen Mindestlohn einführen.

 

- Gebäudereinigerhandwerk

 

Für Beschäftigte im Bereich der Innen- und Unterhaltsreinigung (Lohngruppe 1) steigt der unterste Bruttostundenlohn in Westdeutschland (einschl. Berlin) von 9,80 auf 10,00 Euro (+2,0 %) In Ostdeutschland steigt der Mindestlohn um 4,0 Prozent von 8,70 auf 9,05 Euro.

 

In der Glas- und Fassadenreinigung Beschäftigte in Westdeutschland (einschl. Berlin) erhalten jetzt statt 12,98 mindestens 13,25 Euro, ein Plus von 2,1 Prozent. In Ostdeutschland wird der Mindestlohn um 3,9 Prozent angehoben, er steigt von 11,10 auf 11,53 Euro.

 

- Land- u. Forstwirtschaft und Gartenbau

 

Wie oben bereits erwähnt verbleibt die aktuelle Lohnanhebung im Wirtschaftsbereich Land- und Forstwirtschaft, Gartenbau unterhalb des neuen gesetzlichen Mindestlohns. Beschäftigte von Landwirtschaftsbetrieben, die Mitglied in der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft sind, haben jetzt bundesweit Anspruch auf ein Mindestentgelt in Höhe von 8,60 Euro. Beschäftigte im Osten (einschl. Berlin) können damit ein ordentliches Lohnplus von 8,9 Prozent für sich verbuchen, und auch die 7,5-prozentige Steigerung im Westen ist erfreulich, zeigt aber nur, wie niedrig die Mindestlöhne im Vorjahr noch gewesen sind.

 

- Pflegebranche

 

Auch der Pflegemindestlohn, der in einer eigens eingerichteten Kommission ausgehandelt wird, ist gestiegen. In den westdeutschen Bundesländern müssen jetzt statt 9,75 mindestens 10,20 Euro (+4,6 %) gezahlt werden. In den ostdeutschen Bundesländern wurde die unterste Entlohnungsgrenze von 9,00 auf 9,50 Euro +5,6 %) angehoben.

 

Der Pflegemindestlohn gilt für die Pflegehilfs- und für alle Betreuungskräfte in der Altenpflege, seit im Oktober 2015 der Kreis der Beschäftigten, für die der Pflegemindestlohn gilt, deutlich ausgeweitet worden ist (siehe 01.10.2015). Seither fallen auch Betreuungskräfte von dementen Personen, Alltagsbegleiterinnen und -begleiter sowie Assistenzkräfte unter die Mindestlohnregelung.

 

- Textil- und Bekleidungsindustrie

 

In der Textil- und Bekleidungsindustrie (inkl. ihrer Verkaufseinrichtungen) steigt die Lohnuntergrenze bundesweit auf 8,84 Euro, womit die Höhe des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns erneut nicht überschritten wird. Für westdeutsche Beschäftigte beträgt das Lohnplus 4,0 Prozent, für ihre KollegInnen in Ostdeutschland sind es nur 1,0 Prozent mehr, da der Mindestlohn hier schon im November von 8,25 auf 8,75 Euro angehoben wurde.

 

Die den Regelungen zugrunde liegende Mindestlohnverordnung der Branche ist seit Dezember 2015 nur noch für die gewerblichen Arbeitnehmer/innen gültig.

 

Aktuell gelten in 15 Branchen Mindestlöhne, die die Bundesregierung gemäß Arbeitnehmer-Entsendegesetz, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz oder Tarifvertragsgesetz für allgemeinverbindlich erklärt hat.

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Quellen:

DGB: Bundesvorstand: Mindestlöhne: Was ändert sich ab 2017?

 

Bundesregierung: Mindestlöhne im Sinne des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (einschließlich der Lohnuntergrenze nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) und nach dem Tarifvertragsgesetz (Stand: 1. Nov. 2016)

 

WSI-Tarifarchiv: Mindestlöhne in Deutschland nach Mindestlohngesetz (MiLoG) / Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) / Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) / Tarifvertragsgesetz (TVG)

 

Weiterlesen:

 

- DGB Bundesvorstand (2016): 2017: Der Mindestlohn steigt. klartext, Nr. 48/2016, Berlin.

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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