Lohnuntergrenze Branchenmindestlöhne

 

MINDESTLÖHNE:

 

01/01/2016:

In diesen zehn Branchen gelten ab heute höhere Mindestlöhne

(von Markus Krüsemann)

 

 

Wie schon in den Vorjahren (siehe 01.01.2015), so werden auch diesmal zu Jahresbeginn in einigen Branchen die Mindestlöhne angehoben. Rechtsgrundlage dafür sind neue, vom Bundeskabinett meist noch rechtzeitig in 2015 gebilligte Mindestlohnverordnungen.

 

Zwar gilt seit Januar 2015 grundsätzlich ein bundesweit einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde (brutto), doch sind davon abweichende Branchenmindestlöhne dann möglich, wenn Tarifpartner einzelner Branchen sich in einem bundesweit repräsentativen Tarifvertrag auf eigene Mindestlöhne verständigen und anschließend einen Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit stellen. Sobald dem stattgegeben wird, werden die Mindestlöhne für alle Arbeitgeber in der jeweiligen Branche bindend.

 

Abfallwirtschaft (einschl. Straßenreinigung und Winterdienst):

 

Die Abfallwirtschaft mit ihren ca. 175.000 Arbeitnehmer/innen zählt zu den wenigen Branchen, in denen bereits im Jahr 2015 ein bundesweit einheitlicher Mindestlohn galt. Dieser steigt jetzt um eher bescheidene 1,8 Prozent, und zwar von 8,94 Euro auf 9,10 Euro. Eine erneute Anhebung wird es nicht vor April 2017 geben.

 

Aus- und Weiterbildung:

 

Nachdem der Antrag der Tarifparteien, ihren ausgehandelten Mindestlohn für allgemeinverbindlich erklären zu lassen, noch rechtzeitig durch das Kabinett gebilligt wurde, steigt die Lohnuntergrenze für das pädagogische Personal in der beruflichen Aus- und Weiterbildung in den alten Bundesländern (einschl. Berlin) von 13,35 auf 14,00 Euro, in den neuen Bundesländern von 12,50 auf 13,50 Euro. Ein bundesweit einheitlicher Mindestlohn kommt erst Anfang 2017.

 

Der vereinbarte Mindestlohn gilt für pädagogisches Personal, das überwiegend Erwerbslose oder von Erwerbslosigkeit bedrohte Menschen nach den Sozialgesetzbüchern II und III aus- und weiterbildet. Er erstreckt sich auch auf Aus- und Weiterbildungsunternehmen, die nicht tariflich gebunden sind sowie - nach § 7 Arbeitnehmer-Entsendegesetz - auf Beschäftigte, die von Arbeitgebern mit Sitz im Ausland entsendet werden.

 

Bauhauptgewerbe:

 

Ganz magere 0,9 Prozent Plus gibt es für die in Westdeutschland (einschl. Berlin) als Werker / Maschinenwerker im Bauhauptgewerbe Beschäftigten (Lohngruppe 1). Ihre Lohnuntergrenze steigt damit von 11,15 auf 11,25 Euro. Im Osten steigt der Mindestlohn von 10,75 auf 11,05 Euro, ein Plus von immerhin 2,8 Prozent.

 

Für die Beschäftigten der Lohngruppe 2 (Fachwerker / Maschinisten / Kraftfahrer) erhöht sich der Mindestlohn um 1,8 Prozent. In den westdeutschen Bundesländern steigt er von 14,20 auf 14,45 Euro (+1,8 %), in Berlin von 14,05 auf 14,30 Euro. In Ostdeutschland gibt es keine Lohngruppe 2.

 

Dachdeckerhandwerk:

 

Ein Teil der etwa 63.000 Beschäftigten im Dachdeckerhandwerk kann sich ab heute über einen um 1,7 Prozent höheren Mindestlohn freuen. Er steigt bundesweit von 11,85 Euro auf 12,05 Euro. Möglich wurde dies, weil sich die Tarifparteien im Dachdeckerhandwerk im Juni 2015 auf einen Änderungstarifvertrag mit höheren Mindestlöhnen verständigt hatten. Zugleich hatten sie beantragt, den neuen Mindestlohntarifvertrag per Verordnung auf die ganze Branche zu erstrecken.

 

Weil in der jetzt bereits achten Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für das Dachdeckerhandwerk auch Letzterem stattgegeben wurde, gilt der Mindestlohn erstmals für die gesamte Branche. Er ist daher auch für Dachdecker einzuhalten, die in Betrieben anderer Baubranchen arbeiten, sofern dort kein anderer Tarifvertrag gilt.

 

Elektrohandwerk:

 

Vorbehaltlich der noch nicht erteilten Allgemeinverbindlichkeit, wird der Branchenmindestlohn im westdeutschen Elektrohandwerk um 2,5 Prozent von 10,10 auf 10,35 Euro steigen. Im Osten (einschl. Berlin) soll er von 9,35 auf 9,85 Euro (+5,4 %) angehoben werden.

 

Gebäudereinigerhandwerk:

 

Für Beschäftigte im Bereich der Innen- und Unterhaltsreinigung (Lohngruppe 1) soll der unterste Bruttostundenlohn in Westdeutschland (einschl. Berlin) von 9,55 auf 9,80 Euro (+2,6 %) steigen. In Ostdeutschland soll der Mindestlohn um 2,4 Prozent von 8,50 auf 8,70 Euro steigen.

 

In der Glas- und Fassadenreinigung Beschäftigte in Westdeutschland (einschl. Berlin) sollen ab heute statt 12,65 mindestes 12,98 Euro erhalten, ein Plus von 2,6 Prozent. In Ostdeutschland soll der Mindestlohn um kräftige 4,4 Prozent angehoben werden. Er würde dann von 10,63 auf 11,10 Euro steigen. Die Erteilung der Allgemeinverbindlichkeit steht allerdings in beiden Fällen noch aus.

 

Geld- und Wertdienste:

 

In der Branche der Geld- und Wertdienste gibt es erst seit Juli 2015 eigene Mindestlohnregelungen (siehe 01.07.2015). Die Mindestentlohnung ist hier weiterhin uneinheitlich geregelt. Es gelten auch 2016 noch je nach Bundesland unterschiedlich hohe Mindestlöhne. Hinzu kommt, dass sich die Branche in die zwei Bereiche mobile Dienstleistungen (Geld- und Werttransport) und stationäre Dienstleistungen (Geldbearbeitung) gliedert.

 

    Ab 2016 gültige Mindestlöhne bei den Geld und Wertdiensten

Mindestlöhne bei Geld- und Wertdiensten
Quelle: WSI Tarifarchiv

 

Nach Angaben des Branchenverbandes Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW) arbeiten zwei Drittel der Beschäftigten im Bereich Geld- und Werttransport, ein weiteres Drittel ist in der Geldbearbeitung tätig.

 

Land- u. Forstwirtschaft und Gartenbau:

 

Nachdem der Mindestlohntarifvertrag für Land- und Forstwirtschaft und Gartenbau (etwa 400.000 Beschäftigte) im Herbst 2014 für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, galt zunächst nur ein Mindeststundenlohn von 7,40 Euro in Westdeutschland bzw. 7,20 Euro in Ostdeutschland.

 

Ab heute haben Beschäftigte von Landwirtschaftsbetrieben, die Mitglied in der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft sind, Anspruch auf 8,00 Euro in Westdeutschland bzw. 7,90 Euro in Ostdeutschland (einschl. Berlin). Erst zum 01.01.2017 wird der Branchenmindestlohn auf das derzeitige allgemeine Mindestlohnniveau angehoben und bundesweit auf 8,60 Euro steigen.

 

Betriebe, die nicht Mitglied in der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft sind, müssen ihren Beschäftigten bereits seit Januar 2015 den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde (brutto) zahlen.

 

Pflegebranche:

 

In der Pflegebranche gibt es seit Juli 2010 eine eigene Lohnuntergrenze, die in einer extra eingerichteten Pflegekommission ausgehandelt wird. Deren Empfehlungen werden durch jeweils vom Kabinett verabschiedete Rechtsverordnungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales allgemein verbindlich. Dementsprechend steigt die Lohnuntergrenze 2016 in Westdeutschland (einschl. Berlin) um 3,7 Prozent von 9,40 auf 9,75 Euro/Stunde, in Ostdeutschland steigt der Mindeststundenlohn von 8,65 auf 9,00 Euro, ein Plus von 4,1 Prozent.

 

Erst im Oktober 2015 ist der Kreis der Beschäftigten, für die der Pflegemindestlohn gilt, deutlich ausgeweitet worden (siehe 01.10.2015). Seither fallen auch Betreuungskräfte von dementen Personen, Alltagsbegleiterinnen und -begleiter sowie Assistenzkräfte unter die Mindestlohnregelung.

 

Textil- und Bekleidungsindustrie:

 

In der Textil- und Bekleidungsindustrie (inkl. ihrer Verkaufseinrichtungen) bleibt die Lohnuntergrenze im Westen auch weiterhin auf der Höhe des gesetzlichen Mindestlohns eingefroren. In Ostdeutschland steigt der Branchenmindestlohn zwar um satte zehn Prozent. Ausgangsbasis waren aber sehr magere 7,50 Euro, die jetzt auf weiterhin magere 8,25 Euro pro Stunde gestiegen sind. Zudem ist die Mindestlohnverordnung der Branche seit Dezember 2015 nur noch für die gewerblichen Arbeitnehmer/innen gültig.

 

Aktuell gelten in 18 Branchen Mindestlöhne, die die Bundesregierung gemäß Arbeitnehmer-Entsendegesetz, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz oder Tarifvertragsgesetz für allgemeinverbindlich erklärt hat. Noch liegen nicht alle dieser Mindestlöhne über dem gesetzlichen Mindestlohn. Erst ab Januar 2017 sind Branchenlöhne unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns nicht mehr erlaubt.

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Quellen:

Bundesregierung: Branchenmindestlöhne gemäß Arbeitnehmer-Entsendegesetz, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und Tarifvertragsgesetz (Stand Dezember 2015).

 

WSI-Tarifarchiv: Mindestlöhne in Deutschland nach Mindestlohngesetz (MiLoG) / Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) / Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) / Tarifvertragsgesetz (TVG).

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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