Minijobs geringfügige Beschäftigung

 

MINIJOBS:

 

29/01/2017:

Minijobs auch im ersten Halbjahr 2017 auf stabilem Niveau

(von Markus Krüsemann)

 

Wie schon in den Vorjahren pendelt die Zahl der Minijobs auch im ersten Halbjahr 2017 zwischen knapp 7,4 und 7,5 Millionen. Die Gruppe der ausschließlich geringfügig Beschäftigten schrumpft zwar etwas, doch werden Minijobs als Nebenjob immer stärker nachgefragt. Die Politik müsste längst gegensteuern, ignoriert aber die Fehlentwicklungen am Arbeitsmarkt.

 

Über das merkwürdige Konstrukt Minijobs und seine negativen Effekte ist (u.a. auch hier) eigentlich schon (fast) alles gesagt worden. Zuletzt haben Joachim Bischoff und Bernhard Müller noch einmal wesentliche Kritikpunkte zusammengefasst. Doch Papier ist geduldig, und solange amtierende Regierungen die Probleme ignorieren, solange die geringfügige Beschäftigung also nicht abgeschafft, streng begrenzt oder ihr zumindest der Nährboden (Stichwort Ehegattensplitting) entzogen wird, bleibt einstweilen nur, ihre Entwicklung weiter kritisch zu beobachten. Wobei es sich auf den ersten Blick zu verbieten scheint, überhaupt noch von Entwicklung zu sprechen, denn nach einer jahrelangen stetigen Aufwärtsentwicklung bewegt sich die Zahl der geringfügig Beschäftigten seit Mitte 2013 zwischen knapp 7,4 und 7,5 Millionen.

 

Auf den zweiten Blick aber zeigen sich innerhalb dieses Segments marginaler Beschäftigung interessante Verschiebungen. Wie die folgende Graphik erkennen lässt, befinden sich die im Nebenjob ausgeübten Minijobs (GeB zusätzl.) auf anhaltendem Wachstumskurs, während die Zahl der ausschließlich in Minijobs Erwerbstätigen (GeB ausschl.) nach Jahren, in denen sie bei der Fünf-Millionen-Marke wie eingefroren schien, seit 2015 in einen leichten Sinkflug übergegangen ist.

 

 Entwicklung der Minjobs von Juni 2003 bis Juni 2017

Minijobentwicklung 06/03 bis 06/17
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Beschäftigungsstatistik, geringfügig Beschäftigte

 

Zumindest Letzteres hat vor allen Dingen mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns Anfang 2015 zu tun, der den Minijobs aus Arbeitgebersicht einen Teil ihrer Attraktivität nahm. Nicht nur sind Dumpinglöhne unter 8,50 (mittlerweile 8,84) Euro seitdem passé oder nur noch durch illegale Tricksereien möglich. Auch die zuvor prinzipiell nach oben offene Zahl an Arbeitsstunden wich einer Deckelung auf aktuell unter 51 Monatsstunden. In der Folge schrumpfte die Zahl der ausschließlich in einem Minijob arbeitenden Beschäftigten im ersten Jahr mit Mindestlohn erkennbar. Einem Forschungsbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aus dem Jahr 2017 zufolge sank sie zwischen dem 31.12.2014 und dem 31.01.2015 saisonbereinigt um 92.000 bzw. 1,8 Prozent (vom Berge u.a. 2017: 18), wobei ein großer Teil der Minijobs nicht weggefallen, sondern in sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze umgewandelt worden ist.

 

Das leichte Schrumpfen ging in den Folgemonaten übrigens weiter. Den letzten von der Bundesagentur für Arbeit (BA) veröffentlichten Angaben zufolge, lag die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten Ende Juni 2017 schließlich nur noch bei 4,80 Millionen. Das ist der niedrigste Juniwert seit 2003, dem Jahr, in dem die damalige rot-grüne Bundesregierung mit dem 2. Gesetz für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt die sozialversicherungsrechtliche und steuerliche Behandlung der Minijobs weitgehend liberalisiert hatte.

 

Minijobs als Nebenjobs eilen von Rekord zu Rekord

 

Ziemlich, ja völlig unbeeindruckt von Lohnuntergrenzen zeigt sich hingegen die Entwicklung bei den Minijobs, die als Nebenjob ergänzend zu einer Haupterwerbstätigkeit ausgeübt werden (GeB zusätzl.). Obige Graphik zeigt anschaulich, dass sich geringfügig entlohnte Zweitjobs von Halbjahr zu Halbjahr weiter ausbreiten, seit Rot-Grün im besagten Jahr 2003 auch die 1999 eingeführte Steuer- und Sozialversicherungspflicht bei Nebenbeschäftigungen wieder abgeschafft hatte. Ende Juni hatten mit fast 2,7 Millionen so viele Erwerbstätige wie nie einen geringfügig entlohnten Nebenjob. Damit sorgen sie letztlich dafür, dass die Zahl der insgesamt geringfügig Beschäftigten seit 2016 wieder leicht ansteigt. Ende Juni 2017 waren es knapp 7,5 Millionen womit in etwa wieder das Niveau vom Sommer 2014 erreicht worden ist.

 

Die Frage, was die Menschen antreibt, Freizeit zu Gunsten eines Zweitjobs zu opfern, ist noch längst nicht restlos geklärt. Doch auch wenn die Motivlage insgesamt vielfältig ist, so steht spätestens seit einer Studie aus dem Hause IAB fest, dass die Hauptbeschäftigungen von Mehrfachbeschäftigten meistens weniger gut bezahlt sind als die Beschäftigungsverhältnisse von Personen ohne Nebenjob. Und: Es sind die Geringverdienenden, die überdurchschnittlich häufig Nebenjobs ausüben. Da braucht es nur wenig Phantasie, um sich vorzustellen, dass die Niedriglöhner (wie auch die unfreiwillig nur in Teilzeit Beschäftigten) nicht aus Spaß an der Arbeit, sondern auf Grund einer finanziell klammen Lage zum Zweitjob greifen.

 

Für das erste Halbjahr 2017 gilt demnach, was schon zuvor galt: Wie politisch gewollt hat sich die geringfügige Beschäftigung am segmentierten Arbeitsmarkt als feste Größe etabliert. Weder der Mindestlohn, noch die anhaltend gute konjunkturelle Entwicklung, die vermehrt auch wieder sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeitsplätze entstehen lässt, haben daran etwas geändert. Die Fehlentwicklungen bei den Minijobs lassen sich nur durch eine grundlegende Arbeitsmarktreform abstellen, die konsequent auf die Eindämmung prekärer Beschäftigung abzielt. In Zeiten von auf Dauer gestellten Großen Koalitionen stehen die Chancen dafür allerdings mehr als schlecht.

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Quellen:

Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2017): Beschäftigungsstatistik, Länderreport über Beschäftigte (Quartalszahlen), Dezember 2017.

 

Bischoff, J./ Müller, B. (2018): Minijobs – ein unverzichtbarer Baustein der sozialen Marktwirtschaft? Sozialismus.de Archiv, Kommentare & Analysen, Eintrag vom 16.01.2017.

 

vom Berge, P./ Kaimer, S. u.a. (2017): Arbeitsmarktspiegel: Entwicklungen nach Einführung des Mindestlohns (Ausgabe 3). IAB Forschungsbericht, Nr. 02/2017, Nürnberg.

 

vom Berge, P./ Weber, E. (2017): Minijobs wurden teilweise umgewandelt, aber auch zulasten anderer Stellen. IAB-Kurzbericht, Nr. 11/2017, Nürnberg.

 

Klinger, S./ Weber, E. (2017): Zweitbeschäftigungen in Deutschland: Immer mehr Menschen haben einen Nebenjob. IAB-Kurzbericht Nr. 22/2017, Nürnberg.

 

Weiterlesen:

 

- DGB Bundesvorstand (Hg.) (2018): Gute Arbeit statt mehr Minijobs. Arbeitsmarkt aktuell, Nr. 01/2018, Berlin.

 

- Mai, C.-M./ Schwahn, F. (2018): Erwerbsarbeit in Deutschland und Europa im Zeitraum 1991 bis 2016. In: Wista, Nr. 03/2017.

 

- Minijobs in Deutschland. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE, BT-Drucksache 18/13232 (August 2017).

 

- Bachmann, R./ Dürig, W. u.a. (2017): Minijobs nach Einführung des Mindestlohns – Eine Bestandsaufnahme. RWI Materialien, Heft 114, Essen.

 

- Sell, S. (2017): Wer macht das warum? Neue Erkenntnisse über die Menschen in der boomenden Welt der Nebenjobber. Aktuelle Sozialpolitik, Blogeintrag vom 18.10.2017.

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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