gesetzlicher Mindestlohn Lohnuntergrenze

 

MINDESTLÖHNE:

 

17/08/2016:

Betriebe haben höhere Lohnkosten vielfältig kompensiert

(von Markus Krüsemann)

 

Der gesetzliche Mindestlohn ist kein Jobkiller, soviel ist längst klar. Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) liegt das auch daran, dass die von der Mindestlohneinführung betroffenen Betriebe statt Personalabbau andere Wege gefunden haben, um gestiegene Personalkosten zu kompensieren.

 

Für das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bildete die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns Anfang Januar 2015 den Startschuss für eine umfassende wissenschaftliche Begleitung und Erforschung der Wirkungen des Mindestlohns auf die Arbeitsmarktentwicklung. Die eigens eingerichtete Arbeitsgruppe „Mindestlohn“ widmet sich seitdem unter anderem der Frage nach den Beschäftigungswirkungen des Mindestlohns. Die Antworten der Arbeitsgruppe sind besonders dann von Bedeutung, wenn sie nicht auf theoretischen Schlussfolgerungen oder fragwürdigen Simulationsstudien fußen, sondern aus empirischen Erhebungen hervorgehen – etwa, wenn Angaben der von der Mindestlohneinführung betroffenen Betriebe ausgewertet werden.

 

Letzteres geschieht mittlerweile sozusagen regelmäßig im Rahmen des jährlich durchgeführten IAB-Betriebspanels, einer repräsentativen Befragung von Betrieben mit mindestens einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Nachdem auf Basis des Betriebspanels 2014 zunächst geklärt worden ist, wie viele Betriebe überhaupt von der Einführung des Mindestlohns betroffen waren (siehe 19.03.2015), gibt das IAB-Betriebspanel 2015 nun auch Antworten auf die Frage, mit welchen Maßnahmen die betroffenen Betriebe auf die durch den Mindestlohn gestiegenen Lohnkosten reagiert haben. Personalabbau gehörte dabei zu den eher seltenen Reaktionen, denn den Betrieben steht eine Reihe von alternativen Anpassungsmaßnahmen zur Verfügung.

 

Laut der jetzt vom IAB vorgelegten Analyse zur Bedeutung unterschiedlicher Anpassungsmaßnahmen, haben die entweder direkt oder indirekt vom Mindestlohn betroffenen Betriebe am häufigsten dadurch auf die neue Lohnuntergrenze reagiert, dass sie Arbeitszeiten verkürzt oder die Arbeit verdichtet haben. Immerhin 18 Prozent der Betriebe bekannten sich zu solchen Maßnahmen, weitere 4,1 Prozent gaben an, solche Maßnahmen noch durchführen zu wollen. Eine Ausdifferenzierung beider Teilaspekte liegt leider nicht vor.

 

Preiserhöhungen statt Entlassungen

 

Eine wichtige Rolle bei der Kompensation gestiegener Lohnkosten spielten auch Preiserhöhungen. So hatten etwa 18 Prozent der vom Mindestlohn betroffenen Betriebe ihre Absatzpreise erhöht. Neben der Verteuerung von Wertschöpfungsketten kam es dadurch auch zur Anhebung von Verbraucherpreisen.

 

Auch bei der Einstellung neuer Mitarbeiter legten einige wenige der betroffenen Betriebe Zurückhaltung an den Tag: 10,4 Prozent von ihnen gaben in der Befragung an, weniger Neueinstellungen vorgenommen zu haben. Entlassungen waren dagegen kaum ein Thema. Lediglich 4,7 Prozent dieser Betriebe sagten, sie hätten wegen des Mindestlohns Beschäftigte entlassen. Für Süddeutsche.de Anlass genug, noch einmal zu titeln „Mindestlohn ist kein Job-Killer“. Die Zahlen stehen übrigens in einem gewissen Widerspruch zu den Befunden aus der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit, derzufolge viele der vom Mindestlohn besonders betroffenen Branchen ihre Beschäftigung im selben Zeitraum sogar ausgebaut haben.

 

Das IAB-Betriebspanel ist eine repräsentative Arbeitgeberbefragung, die seit 1993 in Westdeutschland, seit 1996 auch in Ostdeutschland jährlich im Auftrag des IAB durchgeführt wird. Bundesweit werden etwa 16.000 Betriebe aller Branchen und aller Größen zu einer Vielzahl beschäftigungspolitischer Themen befragt. Zu den Panel-Befunden in Sachen Mindestlohn muss einschränkend gesagt werden, dass beim IAB-Betriebspanel Betriebe, in denen nur Minijobber/innen beschäftigt sind, nicht erfasst werden. Einige (wenige) von der Mindestlohneinführung besonders betroffene Betriebe bleiben bei der Analyse damit unberücksichtigt.

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Quellen:

IAB-Pressemitteilung vom 17.08.2016

 

Bellmann, L./ Bossler, M. u.a. (2016): Folgen des Mindestlohns in Deutschland: Betriebe reagieren nur selten mit Entlassungen. IAB-Kurzbericht, Nr. 18/2016, Nürnberg.

 

Süddeutsche.de vom 17.08.2016

 

Weiterlesen:

 

- IAB - Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (Hg.) (2016): Arbeitsmarktspiegel - Entwicklungen nach Einführung des Mindestlohns (Ausgabe1), Kurzfassung des Forschungsberichts 1/2016, Nürnberg.

 

- Bellmann, L./ Bossler, M. u.a. (2015): IAB-Betriebspanel - Reichweite des Mindestlohns in deutschen Betrieben. IAB Kurzbericht, Nr. 06/2015, Nürnberg.

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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