Minijobs - eine beschäftigungspolitische Sackgasse 

  (von Markus Krüsemann)

 

Als geringfügig entlohntes Beschäftigungsverhältnis gilt eine Beschäftigung, deren Arbeitsentgelt regelmäßig 450 Euro (vor Januar 2013: 400 Euro) im Monat nicht überschreitet. Für die auch Minijob genannte Beschäftigungsform gelten spezielle steuer- und abgabenrechtliche Regelungen, weshalb den Minijobs eine Sonderstellung im deutschen Beschäftigungssystem zukommt. So unterliegen Minijobs mit Ausnahme der Rentenversicherung nicht der Sozialversicherungspflicht. Auf Antrag ist aber auch die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht möglich. Außerdem sind die Einkünfte aus geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen nicht steuerpflichtig.

Minijobber gelten nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz als Teilzeitbeschäftigte. Sie dürfen daher nach dem dort verankerten Gleichheitsgrundsatz nicht schlechter behandelt werden als vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer. Arbeitsrechtlich gelten somit für Minijobs die gleichen Regelungen wie für normale Arbeitsverhältnisse. Beschäftigte in Minijobs haben den gleichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, auf Feiertagsvergütung und auf bezahlten Urlaub wie regulär Beschäftigte. Auch in tariflicher Hinsicht sind Minijobber prinzipiell gleichgestellt, obwohl ihre Löhne de facto oftmals deutlich unter denen von vergleichbaren anderen Beschäftigten liegen.

Die derzeitig gültige und seitdem nur geringfügig modifizierte rechtliche Grundlage der Minijobs wurde im April 2003 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung geschaffen. Dabei wurde nicht nur die Verdienstobergrenze von 325 auf 400 Euro angehoben, auch die nach altem Recht geltende Beschränkung der wöchentlichen Arbeitszeit auf maximal 15 Stunden wurde abgeschafft. Zudem wurde auch wieder die Ausübung einer geringfügig entlohnten Beschäftigung neben einer versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung ermöglicht - mit weit reichenden Folgen.

Mit der im Zuge der Hartz-Reformen durchgeführten Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse (Minijobs und kurzfristige Beschäftigung) hatte Rot-Grün nach eigenen Angaben drei Ziele verfolgt: Erstens sollten dadurch mehr Beschäftigungsmöglichkeiten im Niedriglohnsektor entstehen. Zweitens erhoffte man sich von den Minijobs, dass sie eine Brücke zu den regulären, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen schlagen. Und drittens sollte damit die Schwarzarbeit (u.a. auch in Privathaushalten) eingedämmt werden (vgl. Bundesregierung 2003).

Die Neuregelungen haben einen regelrechten Boom bei den Minijobs ausgelöst. Hatte die Bundesagentur für Arbeit Ende Juni 2003 noch 5,5 Mio. Minijobber/innen registriert, so stieg ihre Zahl innerhalb eines Jahres auf knapp 6,5 Mio., um schon 2007 die Marke von 7 Mio. zu überschreiten. Ende 2011 überstieg die Zahl der Minijobber/innen erstmals die Marke von 7,50 Millionen, um im Dezember 2012 den bisher höchsten Stand von 7,51 Millionen zu erreichen. Längst schon ist jedes fünfte Beschäftigungsverhältnis auf dem deutschen Arbeitsmarkt ein Minijob (Voss/Weinkopf 2012:5).

 

Abb. 1: Geringfügig entlohnte Beschäftigte (GeB), Juni 2003 bis Juni 2013

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2014): Beschäftigungsstatistik, Länderreport - Deutschland, Nürnberg, Januar 2014.
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2014): Beschäftigungsstatistik, Länderreport - Deutschland, Nürnberg, Januar 2014.

 

Wie die Grafik zeigt, beruht der Anstieg vor allem auf der starken gestiegen Zahl von Beschäftigten, die neben ihrer regulären Arbeit noch einer geringfügig entlohnten Beschäftigung als Nebenjob (GeB zusätzl.) nachgehen. Die Zahl der Menschen, die ausschließlich einen Minijob ausüben (GeB ausschl.), ist nur in den ersten zwei Jahren nach der Neuregelung 2003 stark angestiegen. Seitdem verharrt sie mit geringen Schwankungen bei etwa 4,9 Millionen.

Geringfügig entlohnte Beschäftigungsverhältnisse sind arbeitsmarktpolitisch stark umstritten, weil sie zu Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt zulasten der Beschäftigten führen. Sie setzen falsche Beschäftigungsanreize, befördern die Ausweitung von Niedriglohnbeschäftigung und gelten weithin als beschäftigungspolitische Sackgasse.

Minijobs werden in der überwiegenden Zahl der Fälle schlecht entlohnt und tragen so zur Ausweitung und Verfestigung des Niedriglohnsektors bei. Im Jahr 2011 hatten 71,2 Prozent aller geringfügig Beschäftigten zu Löhnen unterhalb der Niedriglohnschwelle gearbeitet (Kalina/Weinkopf 2013:6). Stellenweise extrem niedrige Stundenlöhne haben im Verein mit dem Wegfall der Arbeitszeitbeschränkung dazu geführt, dass es in einigen Branchen mittlerweile auch Halbtagsstellen auf Minijobbasis gibt.

Obwohl für Minijobs die gleichen arbeits- und tarifrechtlichen Regelungen gelten wie für reguläre Arbeitsverhältnisse werden diese Standards oft nicht eingehalten. Gesetzlich vorgeschriebene Leistungen wie Pausenzeiten nach sechs Arbeitsstunden, bezahlter Urlaub, Entgeltfortzahlung bei Feiertagen oder im Krankheitsfall werden nur etwa 60 bis 75 Prozent der geringfügig Beschäftigten gewährt, die diese Leistungen zudem oft nicht mal in Anspruch nehmen (RWI 2012:75).

Minijobs verschärfen sowohl die Ungleichverteilung von Reichtum als auch den Fachkräftemangel u.a. dadurch, dass sie das Entstehen von regulären Arbeitsplätzen verhindern und stattdessen die Menschen in der Geringfügigkeitsfalle prekärer Arbeitsverhältnisse fesseln (Eichhorst u.a. 2012:5f.). Dabei sind es vor allem Frauen, die aufgrund der bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen in geringfügigen Beschäftigungsformen verharren, obwohl sie aufgrund ihrer Qualifikationen und zeitlichen Möglichkeiten umfangreichere und anspruchsvollere Tätigkeiten ausüben könnten (vgl. BMFSFJ 2012).

Darüber hinaus werden Minijobs von Unternehmen gezielt dazu genutzt, reguläre Beschäftigung zu ersetzen und Personalkosten zu senken. Empirisch belastbare Hinweise auf die Verdrängung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung durch Minijobs lassen sich vor allem im Einzelhandel, im Gastgewerbe sowie im Gesundheits- und Sozialwesen finden (vgl. Hohendanner/Stegmaier 2012).

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BMFSFJ - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2012): Frauen im Minijob: Motive und (Fehl-)Anreize für die Aufnahme geringfügiger Beschäftigung im Lebenslauf, Berlin.

 

Bundesregierung (2003): Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse auf den Arbeitsmarkt, die Sozialversicherung und die öffentlichen Finanzen, BT-Drucksache 15/758.

 

Eichhorst, W./ Hinz, T. u.a. (2012): Geringfügige Beschäftigung: Situation und Gestaltungsoptionen, Gütersloh.

 

Hohendanner, C./ Stegmaier, J. (2012): Umstrittene Minijobs ? Geringfügige Beschäftigung in deutschen Betrieben. IAB-Kurzbericht, Nr. 24/2012, Nürnberg.

 

Kalina, T./ Weinkopf, C. (2013): Niedriglohnbeschäftigung 2011: Weiterhin arbeitet fast ein Viertel der Beschäftigten in Deutschland für einen Niedriglohn. IAQ-Report, Nr. 01/ 2013.

 

Körner, T./ Meinken, H./ Puch, K. (2013): Wer sind die ausschließlich geringfügig Beschäftigten? Eine Analyse nach sozialer Lebenslage. In: Wirtschaft und Statistik, Januar 2013, S. 42-61.

 

RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (Hg.) (2012): Studie zur Analyse der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, Projektbericht, Dezember, Essen.

 

Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2013): Beschäftigungsstatistik, Länderreport - Deutschland, Nürnberg.

 

Voss, D./ Weinkopf, C. (2012): Niedriglohnfalle Minijob. In: WSI Mitteilungen, 65. Jg., Nr. 1, S. 5-12.


[zuletzt aktualisiert: Januar 2014]