Arbeit auf Abruf Teilzeitarbeit Teilzeitbeschäftigung

 

TEILZEITARBEIT:

 

27/11/2014:

KAPOVAZ ist Arbeit auf Abruf - ein ganz mieses Teilzeitmodell

(von Markus Krüsemann)

 

 

Auch wenn sie nicht immer ein existenzsicherndes Auskommen ermöglicht, Teilzeitbeschäftigung kann für Beschäftigte eine Alternative sein, Erwerbstätigkeit und private Lebensgestaltung besser zu vereinbaren – zumindest dann, wenn sie nicht unfreiwillig, mangels regulärer Vollzeitstellen ausgeübt werden muss (siehe 03.02.2014). Die Arbeitsflexibilität, die Teilzeit generell ermöglicht, wird allerdings kaum nach den Bedürfnissen der Beschäftigten ausgerichtet, sondern folgt überwiegend den betrieblichen Anforderungen. Mit dem Modell der Arbeit auf Abruf wird die Flexibilisierung zulasten der Arbeitnehmer/innen auf die Spitze getrieben.

 

Bei der Arbeit auf Abruf, auch kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit (KAPOVAZ) genannt, erbringen die Beschäftigten ihre Arbeitsleistung je nach betrieblichem Arbeitsanfall, sie arbeiten also auf Bedarf, über dessen Vorliegen allein der Arbeitgeber entscheidet. Sowohl Lage als auch Umfang der vom Beschäftigten zu erbringenden wöchentlichen Arbeitsleistung kann der Arbeitgeber kurzfristig (laut Gesetz mindestens vier Tage im Voraus) und nach Gutdünken festlegen. Der Zeitraum zwischen den einzelnen Arbeitseinsätzen gilt als sog. Rufbereitschaft und wird (anders als Bereitschaftsdienst) nicht bezahlt.

 

Nach Angaben des WSI-Reports Nr. 19 vom Nov. 2014 nutzen mittlerweile 8 Prozent der Betriebe in Deutschland Arbeit auf Abruf. Von dem Modell sind etwa 5,4 Prozent aller abhängig Beschäftigten betroffen. Arbeit auf Abruf ist insbesondere im verarbeitenden Gewerbe, im Bereich Wasserversorgung, im Handel, Gast- und Baugewerbe sowie im Verkehrsbereich verbreitet.

 

Die Vorteile dieser Beschäftigungsform liegen allein bei den Betrieben und Unternehmen. Sie können ihre interne Flexibilität nahezu kostenlos steigern, Leerzeiten minimieren und dabei noch Arbeitskosten reduzieren. Für die Arbeitnehmer/innen ist das Modell jedoch mit großer Unsicherheit verbunden.

 

Die Beschäftigten haben meist einen Teilzeitvertrag mit einer sehr geringen Zahl an fest vereinbarten Arbeitsstunden. Je nach Arbeitsanfall arbeiten sie dann mal mehr, mal weniger Stunden pro Woche zusätzlich. Vom Einkommen aus den garantierten geringen Mindeststunden können sie nicht leben. Auch wissen sie nie, wie viel Geld sie am Ende des Monats tatsächlich verdienen werden. Nicht nur die finanzielle, auch die private Lebensplanung ist stark beeinträchtigt. Eine vorausschauende Planung von Aktivitäten ist kaum möglich, da nicht vorhersehbare Arbeitseinsätze alle Planung über den Haufen werfen kann. Auch die ganz normale Freizeitgestaltung muss der steten Rufbereitschaft angepasst werden.

 

Letztlich ist Arbeit auf Zeit eine auf die Spitze getrieben Form der atypischen und prekären Beschäftigung. Das unternehmerische Risiko wird voll auf die Beschäftigten abgewälzt. Im Gegenzug erhalten sie dafür eine schwankende Entlohnung, kaum Einkommenssicherheit und einen nicht planbaren Alltag. Leben auf Abruf.

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Quellen:

Absenger, N./ Ahlers, E. u.a. (2014): Arbeitszeiten in Deutschland: Entwicklungstendenzen und Herausforderungen für eine moderne Arbeitszeitpolitik. WSI-Report, Nr.19, Nov. 2014.

 

Deutsche Welle online vom 25.11.2014: „Arbeit auf Abruf: Wer zahlt den Preis?"

 

Hamburger Abendblatt online vom 14.08.2014

 

§ 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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