Leiharbeit Arbeitnehmerüberlassung

 

LEIHARBEIT:

 

23/10/2015:

Fragwürdige Subventionierung durch die Bundesagentur für Arbeit

(von Markus Krüsemann)

 

 

Leiharbeitsunternehmen machen gute Geschäfte mit dem Anheuern und dem anschließenden Verleih von Arbeitskräften an Entleihunternehmen. Letztere zahlen den Verleihunternehmen einen Verrechnungssatz (quasi der Preis für den Einsatz der ausgeliehenen Arbeitskraft), der klar über dem tariflich festgelegten Gehalt liegt, dass der Leiharbeitnehmer bekommt. Je höher die Differenz, desto höher der Gewinn. Sollte den Verleihbetrieben eine Leiharbeitskraft tatsächlich mal verlustig gehen, weil sie eine Festanstellung beim Entleiher bekommen hat, so zahlt sich auch das aus, denn die Betriebe erhalten dafür in der Regel eine vertraglich vereinbarte Vermittlungsprovision.

 

Offenbar haben zahlreiche Unternehmen der Branche aber einen Weg gefunden, noch mehr an den Leiharbeiter/innen zu verdienen. Sie lassen sich von der Bundesagentur für Arbeit (BA) Arbeitslose vermitteln, für deren Einstellung sie Lohnkostenzuschüsse erhalten. Solche Zuschüsse werden dann gewährt, wenn Unternehmen schwer vermittelbare Arbeitslose oder Jobsuchende einstellen. Als Vermittlungshemmnisse gelten in der Regel Langzeitarbeitslosigkeit, geringe Qualifikation oder hohes Alter. Lohnkostenzuschüsse sind also ein Förderinstrument, um angeblich weniger produktive Menschen langfristig in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

 

Die Branche der Arbeitnehmerüberlassung ist aber gerade dafür völlig ungeeignet: Seit Jahren schon ist etwa die Hälfte aller Leiharbeiter/innen gerade mal drei Monate bei einem Überlassungsunternehmen beschäftigt. Leiharbeit bedeutet für sie ein Pendeln zwischen Arbeitslosigkeit und meist schlecht entlohnten Jobs (siehe 03.11.2014). Wer Arbeitslose dauerhaft in den regulären Arbeitsmarkt integrieren will, sollte eigentlich einen großen Bogen um Leiharbeitsunternehmen machen. Bereits 2010 hatte eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ergeben, dass gerade mal sieben Prozent der vormals arbeitslosen Leiharbeiter/innen im Zweijahreszeitraum nach der Leiharbeit der Wechsel in eine dauerhafte reguläre Beschäftigung gelungen war (siehe 29.06.2010).

 

Ungerechtfertigte Subventionierung der Leiharbeitsbranche

 

Da ist es schon erstaunlich, dass Verleihbetriebe überhaupt Lohnkostenzuschüsse erhalten. Noch erstaunlicher ist allerdings, in welchem Ausmaß dies geschieht. Einer Meldung der Saarbrücker Zeitung zufolge entfielen 2014 fast 20 Prozent aller von der BA gewährten Lohnkostenzuschüsse auf Leiharbeitsfirmen, obwohl diese nur etwa drei Prozent der Arbeitskräfte beschäftigen. Ist es Zufall, dass die Verleihbetriebe überdurchschnittlich von dem Förderinstrument profitieren? Der Verdacht steht im Raum, dass hier eine ganze Branche zu Unrecht subventioniert wird.

 

392.000 Arbeitslose haben einer DGB-Analyse (Arbeitsmarkt aktuell, Nr. 08/2015) zufolge zwischen Juni 2014 und Mai 2015 als Leiharbeitskraft einen neuen Job gefunden. Damit ist die Arbeitnehmerüberlassung für die Bundesagentur für Arbeit ein höchst willkommener Abnehmer. Schon seit Mitte 2010 ist etwa jede Dritte bei der BA gemeldete offene Stelle ein Angebot einer Leiharbeitsfirma. Dies schlug sich in den Folgejahren auch in der Vermittlungspraxis der BA nieder, die gerne die Gelegenheit ergriff, um Arbeitslose in Leiharbeitsjobs wegzuvermitteln: Fast jeder dritte Arbeitslose, den die Bundesagentur für Arbeit (BA) in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt, landet in der Leiharbeitsbranche, meldete beispielsweise Der Tagesspiegel online im Februar 2015. Die Qualität der Jobs und das Wohl der Arbeitsuchenden stehen hier offensichtlich weniger im Vordergrund, als die hausinterne Vermittlungsquote, ist doch die „Anzahl erfolgreich besetzte Stellen“ eine zentrale Steuerungskennzahl in den Agenturen. „Hauptsache, die Statistik stimmt“, betitelte taz.de diese Praxis bereits 2013.

 

Wie eng die Kooperation zwischen der BA und den Leiharbeitsunternehmen inzwischen gediehen ist, macht die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom Februar 2015 deutlich. Demnach hat die BA seit dem Jahr 2007 nicht nur unzählige regionale und überregionale Kooperationsvereinbarungen mit Leiharbeitsunternehmen geschlossen. Sie führt auch regelmäßig Leiharbeitsbörsen durch, in denen Unternehmen aus der Leiharbeitsbranche ihre Angebote präsentieren und direkt vor Ort Kontakt zu den Bewerbern aufnehmen können. Auch diese kostenlose Schützenhilfe kann als eine zumindest indirekte Subventionierung der Branche durch die BA angesehen werden.

 

Subventionierungen zu Lasten der Arbeitssuchenden beenden

 

Leiharbeit ist erwiesenermaßen ungeeignet, um Menschen nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Daher muss die zu diesem Zweck gewährte finanzielle Förderung der Branche ebenso beendet werden wie die enge Zusammenarbeit zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den Leiharbeitsunternehmen. Sie ist ein typisches Beispiel für eine Kooperation zu Lasten Dritter, denn der Nutzen den beide Seiten daraus ziehen, geht auf Kosten der Arbeitssuchenden. Sie werden zwar als Kunden tituliert, faktisch aber als Manövriermasse missbraucht.

 

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Quellen:

Saarbrücker Zeitung online vom 22.10.2015

 

Arbeitsmarkt aktuell, Nr. 08/2015: Risiken und Reformbedarf in der Leiharbeit.

 

Tagesspiegel online vom 16.02.2015

 

taz.de vom 03.01.2013

 

Förderung der Leiharbeitsbranche durch die Bundesagentur für Arbeit. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Corinna Rüffer, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucksache 18/4022 (Feb. 2015).

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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