Minijob geringfügige Beschäftigung

 

MINIJOBS:

 

12/07/2018:

Geringfügige Beschäftigung konnte auch 2017 wieder zulegen

(von Markus Krüsemann)

 

Bei den Minijobs hielt die bereits vertraute Entwicklung auch im zweiten Halbjahr 2017 an. Der Rückgang bei den ausschließlich geringfügig Beschäftigten traf auf eine ungebrochen steigende Nachfrage nach Minijobs im Nebenjob. Unterm Strich wurde damit zum Jahresende sogar das hohe Niveau von 2014 übertroffen - trotz Mindestlohn.

 

Eine Trendwende bei den Minjobs sähe sicher anders aus: Wie aus den aktuellen Zahlen der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervorgeht, gingen Ende Dezember 2017 exakt 7.490.605 Menschen einer geringfügigen Beschäftigung nach. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sind das gut 50.000 mehr, was einem Plus von 0,7 Prozent entspricht. Vielleicht bedeutsamer ist aber das verschwindend kleine Plus von 0,15 Prozent gegenüber dem Dezemberwert des Jahres 2014, dem letzten Monat vor Einführung des gesetzlichen Mindestlohns, der die Minijobs für Arbeitgeber unattraktiver machte, weil er erstmals seit 2003 wieder eine Deckelung der maximal möglichen monatlichen Arbeitszeit brachte.

 

 Entwicklung der Minijobs von März 2014 bis Dez. 2017

Quartalsentwicklung von Minijobs von 2014 bis 2017
Quelle: Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit

 

An den ausschließlich geringfügig Beschäftigten (GeB ausschl.) hat es nicht gelegen. Deren Zahl schrumpfte auch zum Ende des dritten und vierten Quartals 2017 weiter, und zwar um 1,2 bzw. 1,5 Prozent im Vergleich zu den Vorjahreswerten. Für Ende Dezember 2017 hat die BA hier 4,72 Mio. Personen ausgewiesen, das sind immerhin 5,8 Prozent weniger als noch am Vorabend der Mindestlohneinführung. Also doch so etwas wie eine Trendwende?

 

Weiter zugelegt hat dagegen die Zahl der Erwerbstätigen, die neben ihrer Haupttätigkeit noch einen Minijob als Nebenjob ausüben (GeB zusätzl.). Mit knapp 2,77 Millionen, ein sattes Plus von 4,6 Prozent innerhalb eines Jahres, wurde zum Jahresende 2017 ein neuer Höchststand erreicht. In der Addition beider Beschäftigungsformen ergibt sich ein fortgesetztes Minijobwachstum, das kurz davor ist, erneut die 7,5 Millionen-Schwelle zu überschreiten. Kann eine (niedrige) Lohnuntergrenze marginale Beschäftigung also gar nicht einhegen? Schauen wir genauer hin, was seit Einführung des Mindestlohns geschehen ist.

 

Dämpfende Wirkung des Mindestlohns - wie zerronnen, so gewonnen

 

Im ersten Jahr nach seiner Einführung hatte sich der Mindestlohn dämpfend auf die Entwicklung der Minijobs ausgewirkt (vgl. 11.07.2016). Es kam zu einem Rückgang bei den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. Genauer gesagt: Im Vergleich zum Vorjahr ließen sich zusätzliche Abgänge beobachten. Diese beliefen sich auf etwa 100.000 Personen, wobei etwa die Hälfte in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis gewechselt ist. In 85 Prozent der Fälle übrigens erfolgte die Umwandlung im selben Betrieb.

 

Ab 2016 normalisierte sich die Zahl der Abgänge wieder, ja, sie lag sogar etwas unterhalb des Niveaus des Jahres 2014. Zusätzlich interessant ist dabei, dass auch die erste Anhebung des Mindestlohns Anfang 2017 keinen Anstieg der Abgänge über das „normale“ Maß hinaus mehr hervorrief. „Die geringfügige Beschäftigung hat infolge der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns also eine einmalige Niveauanpassung erfahren, die sich im weiteren Zeitverlauf nicht fortgesetzt hat“, bringt es die Mindestlohnkommission in ihrem kürzlich erschienenen Zweiten Bericht zu den Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns auf den Punkt. Unterm Strich legten die Minijobs damit in den Jahren 2016 und 2017 sukzessive wieder zu wie man an der folgenden Grafik erkennen kann.

 

 Minijobentwicklung im Vergleich der Jahre 2014 bis 2017

Entwicklung der Minijobs im Jahresvergleich 2014 bis 2017
Quelle: Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit

 

Um die Entwicklung genauer einordnen zu können, muss zwischen der ausschließlich geringfügigen Beschäftigung und den im Nebenjob ausgeübten Minijobs unterschieden werden. Was die Gruppe der Beschäftigten angeht, die ausschließlich in einem Minijob arbeiten, so wurde im Juni 2014 mit knapp 5,09 Millionen der bisherige Höchststand erreicht. Seit dem vierten Quartal 2014 dann ist ihre Zahl (immer im Vergleich zum jew. Vorjahresquartal) durchgängig rückläufig.

 

Eine gegenläufige Entwicklung nimmt dagegen die Zahl der Minijobs im Nebenjob. Auch im Jahr der Mindestlohneinführung sowie in den Folgejahren ging es Quartal für Quartal stetig aufwärts. Wenn also die geringfügige Beschäftigung insgesamt 2017 wieder annähernd den Stand des Jahres 2014 erreicht und zum Jahresende dann sogar übertroffen hat, so liegt dies einzig und allein am Boom der Nebenjobs.

 

Betrachtung der langfristigen Entwicklung lässt Verschiebungen erkennen

 

Wie der abschließende Blick auf die Entwicklung der Minijobs seit ihrer Neuregelung im April 2003 zeigt, ist der generelle Trend ungebrochen, doch hat sich die Bedeutung der einzelnen Segmente vor allem ab 2015 deutlich verändert. Die Zahl der geringfügig Beschäftigten insgesamt hat sich bis 2014 nahezu stetig auf fast 7,5 Millionen Personen erhöht. Nach zwei Jahren der Rückgänge wurde 2017 dieses Niveau in etwa wieder erreicht. Bei den ausschließlich geringfügig Beschäftigten (GeB ausschl.) bildete sich bis 2007 ein relativ stabiles Plateau, das auch in den Folgejahren etwa 5 Millionen Personen umfasste. Seit 2015 geht deren Zahl aber in den Sinkflug über. Für diesen Rückgang ist zumindest teilweise auch die Einführung einer allgemeinen Lohnuntergrenze verantwortlich.

 

 Entwicklung der Minijobs von 2003 bis 2017

Minijobentwicklung 2003 bis 2017
Quelle: Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit

 

Dagegen konnte der Mindestlohn nichts gegen die unaufhaltsam wachsende Zahl von MultijobberInnen (GeB zusätzl.) ausrichten. Seit 2003 ist ein ungebrochener Run auf die Minijobs im Nebenjob (meist in Ergänzung zu einer sozialversicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung) zu beobachten, eine Entwicklung, die zuletzt sogar an Dynamik zugelegt hat. Ein klares Zeichen dafür, dass der Mindestlohn zu niedrig, also zu oft nicht existenzsichernd ist, aber auch ein Hinweis darauf, dass die Entwicklung noch von anderen Faktoren getrieben wird.

 

Für die mit der Ausweitung des Niedriglohnsektors gewachsene Zahl an vollzeitbeschäftigten Geringverdienern etwa ist der zusätzliche Minijob oft eine Notwendigkeit, um noch einigermaßen über die Runden zu kommen. Hinzu kommen die unfreiwillig in Teilzeit Beschäftigten, die nur als Multijobber das benötigte Einkommen erzielen können. Und dann sind da noch jene, die gar nicht schlecht verdienen, sich aber mehr leisten wollen und dies zum Teil auch aus steuerlichen Gründen lieber im Nebenjob tun, als im Hauptjob Mehrarbeit zu leisten, die mit höheren Abgaben belastet wäre.

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Quellen:

Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2018): Beschäftigungsstatistik, Länderreport über Beschäftigte (Quartalszahlen), Juni 2018.

 

Mindestlohnkommission (2018): Zweiter Bericht zu den Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns. Bericht der Mindestlohnkommission an die Bundesregierung nach § 9 Abs. 4 Mindestlohngesetz, Berlin.

 

vom Berge, P./ Kaimer, S. u.a. (2018): Arbeitsmarktspiegel: Entwicklungen nach Einführung des Mindestlohns (Ausgabe 5). IAB Forschungsbericht, Nr. 01/2018, Nürnberg.

 

Weiterlesen:

 

- Bundesagentur für Arbeit (Hg.) (2018): Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit geringfügig entlohntem Nebenjob. Arbeitsmarkt kompakt, Mai 2018, Nürnberg.

 

- Klinger, S./ Weber, E. (2017): Zweitbeschäftigungen in Deutschland: Immer mehr Menschen haben einen Nebenjob. IAB-Kurzbericht Nr. 22/2017, Nürnberg.

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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