Leiharbeit Zeitarbeit Arbeitnehmerüberlassung

 

LEIHARBEIT:

 

17/02/2015:

Hartz I hat Unzufriedenheit von Leiharbeitern gesteigert

(von Markus Krüsemann)

 

 

Es ist schon ein widerliches Geschäftsmodell: ein Unternehmen stellt Mitarbeiter zu möglichst niedrigen Löhnen an, um daraus Gewinn zu ziehen, dass diese gegen satten Aufpreis zum Arbeiten in andere Unternehmen geschickt werden. Und so arbeitet die Handelsware mal hier, mal dort, mal nur ein paar Tage oder ein paar Wochen, gelegentlich auch länger. Andere wiederum erleben, dass sie letztlich jahrelang beim selben Unternehmen arbeiten - neben der Stammbelegschaft, aber als Mitarbeiter zweiter Klasse, denn sie verdienen weniger, haben nicht die gleichen Rechte und eine schlechtere soziale Absicherung.

 

Für Lohnabhängige zählt Leiharbeit zu den schlechtesten Alternativen, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Da kann es nicht wundern dass der Studie einer Leiharbeitsfirma zufolge jeder zweite Leiharbeiter unzufrieden mit seinem Job ist (siehe 15.01.2014). Auch die wenigen bisher vorliegenden wissenschaftlichen Studien (z.B. Buddelmeyer u.a. 2013 oder Grund u.a. 2014, siehe 05.08.2014) zeigen durchgängig eine geringere Arbeitszufriedenheit von Leiharbeitern im Vergleich zu regulär Beschäftigten.

 

Für diese Unzufriedenheit sind aber nicht nur strukturelle, sozusagen in der Natur der Sache liegende Ursachen (häufiger Jobwechsel, belastende Arbeitsinhalte, ungünstige Arbeitszeiten) verantwortlich. Der Grad der Unzufriedenheit von Leiharbeitern variiert auch mit der Qualität von arbeitsmarktpolitischen Regulierungen oder - wie im Falle Deutschland - von neoliberalen Deregulierungen auf Kosten der Arbeitnehmer. Letzteres hat jetzt erstmals eine Studie empirisch erhärtet, die ganz gezielt untersuchte, welchen Einfluss die Hartz 1-Reform auf die Arbeitszufriedenheit männlicher Leiharbeiter ausgeübt hat.

 

Die heute herrschenden Bedingungen in der Leiharbeit sind im Wesentlichen das Resultat der neoliberalen Agenda-Politik von Rot-Grün, die 2003 mit dem „Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ (auch Hartz 1 genannt) eine Entfesselung der Leiharbeit durchsetzte und damit einen wahren Boom im Geschäft der Arbeitnehmerüberlassung auslöste.

 

Für die Erkenntnis, dass sich politisch herbeigeführte Veränderungen in der arbeitsrechtlichen Regulierung von Leiharbeit auf die Zufriedenheit von Leiharbeitern auswirken, reicht eigentlich bereits ein wenig logisches Schlussfolgern. Und angesichts der bekannten Zahlen und Fakten lässt sich auch ein argumentativer Nachweis leicht führen, dass Hartz 1 die Schlechterstellung und Ausbeutung von Leiharbeitern beträchtlich verschärft hat und dass die Betroffenen dies natürlich zu spüren bekommen.

 

Nun aber haben drei Wissenschaftlerinnen für empirische Arbeitsmarktforschung vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bzw. von der finnischen Jyväskylä University School of Business and Economics endlich auch einen „harten“ empirischen Zusammenhang nachgewiesen. Ihre ökonometrische Schätzung (Differenz-in-Differenzen Methode) auf Basis der für Deutschland vorliegenden Längsschnitt-Daten aus dem Sozio-ökonomischen Panel (SOEP) der Jahre 2002 bis 2006 führte zu dem Resultat, dass die Arbeitszufriedenheit von Leiharbeitern nach der Arbeitsmarktreform 2003 erheblich gesunken ist.

 

Laut Analyse hat die Reform nachweislich auch Lohnsenkungen und gesteigerte Arbeitsplatzunsicherheit hervorgerufen, zwei Aspekte, die nach Aussage der Forscherinnen zumindest teilweise für die gestiegene Unzufriedenheit unter Leiharbeitern verantwortlich sind.

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Quelle:

Busk, H./ Jahn, E./ Singer, C. (2015): Do Changes in Regulation Affect Temporary Agency Workers' Job Satisfaction? IZA Discussion Paper, No. 8803, Bonn (Jan. 2015).

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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