Leiharbeit Arbeitnehmerüberlassung

 

LEIHARBEIT:

 

13/09/2016:

Wie hilfreich ist ein Leiharbeitsintermezzo für Arbeitslose?

(von Markus Krüsemann)

 

Leiharbeit ist kein Sprungbrett in reguläre Beschäftigung. Arbeitslose indes scheinen einer neuen IAB-Studie zufolge etwas schneller einen neuen Job zu finden, wenn sie zwischenzeitlich als Leiharbeiter/innen tätig waren. Doch der Effekt ist gering, und ob am Ende eine stabile reguläre Beschäftigung winkt, bleibt gänzlich ungeklärt.

 

Leiharbeit spielt am Arbeitsmarkt eine immer größere Rolle. 2015 hat die Zahl der Leiharbeiter/innen erstmals die Millionenmarke erreicht. Seit Jahren bereits besteht etwa ein Drittel der von der Bundesagentur für Arbeit (BA) angebotenen offenen Stellen aus Jobofferten von Leiharbeitsunternehmen, was in der Konsequenz dazu führte, dass von den rund zwei Millionen Erwerbslosen, die im vergangenen Jahr eine Beschäftigung aufnahmen, mehr als 380.000 in der Branche der Arbeitnehmerüberlassung landeten. Gut ein Fünftel der Arbeitssuchenden musste sich also mit einem Job in der Leiharbeit begnügen.

 

Die für Lohndumpingmodelle stets zu habenden Arbeitgeber und ihre Lobbyorganisationen verkaufen das bei jeder sich bietenden Gelegenheit als gute Nachricht. Leiharbeit, so zeige sich, sei demnach geeignet, Personen an den regulären Arbeitsmarkt heranzuführen. Mehr noch, sie könne damit auch den Weg in eine reguläre Beschäftigung eröffnen, argumentieren sie. Für letzteres, für die Behauptung einer so genannten Sprungbrettfunktion der Leiharbeit ließen sich bislang allerdings kaum Belege finden. So musste das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) 2010 einräumen, dass Leiharbeit keine Brücken in ordentliche Beschäftigung baue. Gerade mal sieben Prozent der vormals Arbeitslosen sei im Zweijahreszeitraum nach der Leiharbeit der Wechsel zu einer dauerhaften regulären Arbeit gelungen (siehe 29.06.2010). Eine 2014 veröffentlichte Regionalstudie des IAB für Hessen kam zu weitgehend ähnlichen Ergebnissen (siehe 11.04.2014).

 

Doch selbst mit dem „Heranführen“ Arbeitsloser an den regulären Arbeitsmarkt ist es nicht weit her, denn auch bei den Zugängen in Arbeitslosigkeit steht die Arbeitnehmerüberlassung seit Jahren an erster Stelle: 2015 wurden über 360.000 Leihkräfte nach Beendigung ihres Einsatzes gleich wieder arbeitslos. Etwa die Hälfte von ihnen war dann gerade mal drei Monate oder weniger beschäftigt, hat also am eigenen Leib verspürt, was es heißt, in einer "Hire and Fire"-Branche zu arbeiten. Bei zwei Drittel der Betroffenen endet das Arbeitsverhältnis spätestens nach sechs Monaten. Für die große Mehrheit gerät das Heranführen an den Arbeitsmarkt daher allenfalls zu einer frustrierenden Stippvisite. Die BA nennt das nüchtern Drehtüreffekt.

 

„Perspektiven“ für Arbeitslose?

 

Für Arbeitslose scheint so eine Stippvisite während ihrer Suche nach einem regulären Job Vorteile zu bringen, dass zumindest legen Ergebnisse einer neuen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nahe. „Zeitarbeit kann Perspektiven eröffnen“, fasst der Titel der Begleitpublikation die Forschungsbefunde zusammen. Das klingt vage und nicht gerade nach einer Erfolgsmeldung. Schauen wir also genauer hin.

 

Im Zentrum der Analyse stehen die Erwerbschancen von Personen, die, auf der Suche nach einer regulären Beschäftigung, aus der Arbeitslosigkeit heraus zunächst einen oder mehrere Leiharbeitsjobs angenommen haben. Als Vergleichsgruppe sind ihnen jene Arbeitslose gegenübergestellt worden, die ohne temporäre Aufnahme von Leiharbeit eine Arbeitsstelle gesucht haben. Für beide Gruppen wurde eine so genannte Übergangsrate berechnet. Gemeint ist damit die Abgangswahrscheinlichkeit seit Beginn der Arbeitslosigkeit in eine „andere Beschäftigung“, wobei mit anderer Beschäftigung jede Beschäftigung außerhalb der Leiharbeitsbranche gemeint ist.

 

Bei diesem Vergleich zeigte sich, dass Arbeitslose mit vorangegangenen Leiharbeitsjobs schneller eine andere Arbeit finden als Arbeitslose, die zwischenzeitlich keine Leiharbeit ausgeübt hatten. Zudem zeigte sich, dass dieser Effekt bei Arbeitssuchenden mit ausländischer Herkunft etwas stärker ausgeprägt ist: „Bei deutschen Arbeitslosen steigt die Wahrscheinlichkeit, aufgrund einer Tätigkeit in der Zeitarbeit später eine Tätigkeit außerhalb der Zeitarbeit zu finden, um 15 Prozent. Bei arbeitslosen Ausländern steigt die Wahrscheinlichkeit im Durchschnitt um 17 Prozent, bei türkischen Arbeitslosen um 18 Prozent.“

 

Effekt ist nicht sehr ausgeprägt

 

Das Leiharbeitsintermezzo bleibt demnach nicht ganz ohne Wirkung: Die zwischenzeitliche Tätigkeit in einem Leiharbeitsjob führt bei Arbeitslosen rechnerisch zu einer leichten Verkürzung des Zeitraums bis zur Aufnahme einer „anderen“ Beschäftigung. Der Effekt ist bei arbeitslosen Ausländern etwas stärker ausgeprägt. Insgesamt jedoch eröffnen sich Arbeitslosen dadurch keine besonders großen Chancen auf einen Job geschweige denn auf eine reguläre Arbeitsstelle, das räumt auch die Verfasserin ein: „Der kausale Effekt der Aufnahme eines Zeitarbeitsjobs auf die Dauer bis zum Übergang in eine andere Beschäftigung ist für deutsche Arbeitslose nicht sehr ausgeprägt.“ Für ausländische Arbeitslose öffnen sich die Türen in den regulären Arbeitsmarkt auch nicht sehr viel schneller, lässt sich anfügen.

 

Perspektiven allein sind wenig hilfreich

 

Zudem, auch das legen die Ergebnisse der Analyse nahe, müssen Arbeitslose aufpassen, nicht in die Leiharbeitsfalle zu tappen. Sowohl für deutsche als auch ausländische Arbeitslose verringert sich der beschriebene und eh schon schwache Effekt, je länger sie in der Leiharbeit beschäftigt sind. Und wer zu lange als Leiharbeitsbeschäftigter tätig ist, der bleibt anschließend sogar länger arbeitslos – wenn er nicht gleich längerfristig in der Branche hängenbleibt.

 

Gänzlich unklar bleibt am Ende, von welcher Qualität die späteren Arbeitsstellen außerhalb der Leiharbeit sind. Wenn Arbeitslosigkeit in die Aufnahme einer atypischen, prekären und/oder schlecht bezahlten Beschäftigung mündet, dann ist auch das Leiharbeitsintermezzo am Ende ein Muster ohne Wert. So bleibt die Frage, wie hilfreich ein zwischenzeitlicher Leiharbeitsjob für Arbeitslose tatsächlich sein kann, weiterhin unbeantwortet. Wer ohne Job ist, der braucht sicher auch neue Perspektiven, vor allem aber braucht er eine neue anständige und stabile Beschäftigung. Leiharbeit ist da auf jeden Fall die falsche Adresse.

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Quellen:

IAB-Pressemitteilung vom 13.09.2016

 

Jahn, E. (2016): Zeitarbeit kann Perspektiven eröffnen. IAB Kurzbericht, Nr. 19/2016, Nürnberg.

 

Lehmer, F./ Ziegler, K. (2010): Brückenfunktion der Leiharbeit: Zumindest ein schmaler Steg. IAB-Kurzbericht 13/2010, Nürnberg.

 

Burkert, C./ Garloff, A./ Lepper, T. (2014): Arbeitnehmerüberlassung in Hessen: Sprungbrett in reguläre Beschäftigung, Vermeidung von Arbeitslosigkeit oder gefangen in der Leiharbeitsfalle? IAB-Regional: Berichte und Analysen aus dem Regionalen Forschungsnetz. IAB Hessen, 01/2014, Nürnberg.

 

Weiterlesen:

 

- Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2016): Der Arbeitsmarkt in Deutschland – Zeitarbeit – Aktuelle Entwicklungen, Nürnberg.

 

- Aktuelle Entwicklungen in der Leiharbeit. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus Ernst, Sabine Zimmermann (Zwickau), Jutta Krellmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE, BT-Drucksache 18/9557 (09/2016).

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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