Teilzeit Teilzeitarbeit Teizeitbeschäftigung

 

TEILZEITARBEIT:

 

10/02/2015:

Die Situation in den Sozialberufen zeigt exemplarisch das hohe Risiko von Altersarmut durch Teilzeitarbeit

(von Markus Krüsemann)

 

 

Work-Life-Balance, ein schillernder Begriff, der den Wunsch nach einem besseren Verhältnis von Arbeits- und Lebenszeit all jener reflektiert, die in Vollzeit (und darüber hinaus) bis zur Erschöpfung schuften. Da kollektive Initiativen für Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich derzeit (noch) nicht in Sicht sind, erscheint die Teilzeitbeschäftigung als vermeintlich probates Mittel, um Privatleben, Familie und Beruf in ein vernünftiges oder angenehmeres Verhältnis zu setzen. Der große Nachteil solch individueller Lösungswege zu mehr Zeitsouveränität: Durch Verzicht auf den Vollzeitjob wird zu oft kein nachhaltig existenzsicherndes Auskommen mehr erzielt, das trotz vieler Versicherungsjahre eine eigenständige Alterssicherung ermöglicht.

 

Wie sehr Teilzeitarbeit mit dem Risiko zu geringer (Eigen-) Absicherung im Alter einhergeht, das wird anhand einer aktuellen Studie von Florian Blank und Susanne Eva Schulz (Wissenschaftler im Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut in der Hans-Böckler-Stiftung) erneut sinnfällig. Ihre Analyse der Beschäftigungssituation im Sozialsektor zeigt exemplarisch, dass gerade dort ein hohes Risiko der Altersarmut besteht, wo gut bezahlte und unbefristete Vollzeitstellen eher die Ausnahme als die Regel sind.

 

Wie das Autorenteam in seiner Expertise zeigt, ist Teilzeitbeschäftigung im Bereich der sozialen Berufe (hier: Erziehung, Alten- und Krankenpflege sowie ärztlicher Dienst in Krankenhäusern) besonders weit verbreitet. In der Kindererziehung arbeiten 60 Prozent der Beschäftigten auf einer Teilzeitstelle oder im Minijob, bei den Beschäftigten in der Altenpflege liegt der Anteil sogar bei fast 70 Prozent, in der Krankenpflege bei fast 50 Prozent. Im Zusammenspiel mit dem relativ niedrigen Lohnniveau in den Bereichen Erziehung und Pflege und den vor allem bei Frauen oft diskontinuierlichen Erwerbsverläufen (bedingt etwa durch Zeiten der Kindererziehung oder Angehörigenpflege) ergibt sich eine Erwerbssituation, in der der Aufbau einer eigenständigen Altersicherung kaum gelingen kann. Der Erwerb zu geringer Rentenansprüche führt mit hoher Wahrscheinlichkeit direkt in die Altersarmut, wenn nicht anderweitig eine kompensierende Eigenvorsorge betrieben werden konnte.

 

Aus den viele Defizite offenbarenden Analysen kann zwar nicht direkt auf drohende Altersarmut geschlossen werden. Nach Erkenntnis der Verfasser ist der Aufbau einer eigenständigen Alterssicherung für Beschäftigte im Sozialsektor jedoch nur dann möglich, wenn drei Voraussetzungen gleichermaßen erfüllt sind:

1. eine Vollzeitbeschäftigung,

2. ein langer Verbleib im Beruf und

3. eine gute Bezahlung nach Tarif.

Ein Befund, der sich auf Erwerbstätige in vielen weiteren Berufsfeldern übertragen lässt, die in atypischen und prekären Beschäftigungsverhältnissen feststecken, die gerade das nicht bieten können.

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Quelle :
ver.di (Hg.): sopo aktuell, Nr. 107 vom 09. Februar 2015.

 

Weiterlesen:

 

- Blank, F./Schulz, S. (2015): Soziale Sicherung unter dem Brennglas – Altersarmut und Alterssicherung bei Beschäftigten im deutschen Sozialsektor. WISO Diskurs, Friedrich-Ebert-Stiftung, Januar 2015.

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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