Aufstocker erwerbstätige Hartz IV-Bezieher

 

AUFSTOCKER:

 

07/11/2016:

Auch im zweiten Quartal 2016 wieder weniger Aufstocker

(von Markus Krüsemann)

 

Es gibt immer weniger Aufstocker in Deutschland. Die anhaltend positive Entwicklung erhielt durch den Mindestlohn Rückenwind. Der sorgte zudem für eine Verschiebung in der Struktur der Leistungsbeziehenden. Darüber hinaus brachte er dem Staat finanzielle Entlastungen, denn seit 2015 muss er weniger Geld für aufstockende Leistungen in die Hand nehmen.

 

Die Zahl der Erwerbstätigen, die ihr zu geringes Einkommen mit Arbeitslosengeld II-Zahlungen aufstocken müssen, ist auch im zweiten Quartal 2016 weiter gesunken. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) belief sich die Zahl der Leistungsbezieher, die über Einkommen aus abhängiger Erwerbstätigkeit verfügten, Ende Juni 2016 auf 1.089.369 Personen. Ein Jahr zuvor lag ihre Zahl noch bei 1,136 Millionen, das ist ein Rückgang von 4,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal.

 

Seit dem Sommer 2010 ist die Zahl der abhängig erwerbstätigen Bezieher von Hartz IV-Leistungen damit leicht, aber stetig rückläufig. Einen positiven Schub erhielt die Entwicklung Anfang 2015 mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns, der, im Verein mit weiteren Effekten wie etwa anderweitigen Lohnerhöhungen, die Zahl der abhängig erwerbstätigen Aufstocker um jahresdurchschnittlich fast 56.000 reduzierte (siehe 03.05.2016). Wie die folgende Grafik zeigt, hat sich diese Entwicklung auch im ersten Halbjahr 2016 mehr oder weniger unverändert fortgesetzt.

 

 Abhängig erwerbstätige Aufstocker Januar 2014 bis Juni 2016

Entwicklung bei den abhängig erwerbstätigen Aufstockern 2014-2016
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Analyse der Grundsicherung für Arbeitssuchende

 

Ein Blick auf die nach Erwerbstätigkeit differenzierten Zahlen, sie liegen jetzt bis März 2016 vor, zeigt, dass im Jahr 2016 auch im Segment der sozialversicherungspflichtig arbeitenden Aufstocker die Zahlen wieder zurückgehen. In den vorausgehenden Jahren war die Entwicklung in dieser Beschäftigtengruppe durch ein nahezu stetiges Wachstum gekennzeichnet, was sich allein dem ungebremsten Zuwachs an teilzeitbeschäftigten Aufstockern verdankte. Deren Zahl ist im ersten Quartal 2016 im Vergleich zum Vorjahresquartals zwar weiter angestiegen, stärkere Rückgänge bei den vollzeitbeschäftigten Leistungsbeziehern glichen die Entwicklung diesmal aber mehr als aus. Ende März zählte die BA insgesamt 564.533 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitslosengeld II-Bezieher, gut 8.900 Personen weniger als im Vorjahresquartal, was einem Minus von knapp 1,6 Prozent entsprach.

 

 Entwicklung der Aufstockerzahlen von Sept. 2009 bis März 2016

Entwicklung Aufstockerzahlen Sept. 2009 bis März 2016
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Analyse der Grundsicherung für Arbeitssuchende

 

Im Segment der geringfügig beschäftigten Aufstocker hat sich die länger schon positive Entwicklung auch im ersten Quartal 2016 deutlich fortgesetzt. Bis Ende März 2016 sank ihre Zahl auf 520.704 Personen (Erwerbstätige ohne Beschäftigungsmeldung mit eingerechnet), 5,8 Prozent weniger als im Vorjahresquartal.

 

Mindestlohn bringt Entlastung und Verschiebungen

 

Mitursächlich für den ab 2015 sich verstärkenden Schrumpfungsprozess bei den aufstockenden Minijobbenden ist der allgemeine Mindestlohn. Er löste nicht nur einen allgemeinen Rückgang von ausschließlich geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen aus (siehe 11.07.2016 ). Da etwas mehr als die Hälfte dieser Minijobs seit Einführung der Lohnuntergrenze in sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung umgewandelt worden ist, geht die Zahl der Aufstocker in diesem Beschäftigungssegment auch aus diesem Grund zurück - mit dem korrespondierenden Effekt eines steigenden Leistungsbezugs im Bereich der Teilzeitarbeit.

 

Die immer noch steigende Zahl der teilzeitbeschäftigten Aufstocker ist im Wesentlichen also Resultat eines Verschiebebahnhofs: Viele Beschäftigte, die zuvor als Minijobber/innen nicht genug verdient haben, sind jetzt als Teilzeitbeschäftigte tätig, nur dass der Verdienst immer noch nicht zum Leben reicht.

 

Entlastung für die öffentliche Hand

 

Zwar ist der Mindestlohn für viele Beschäftigte weiterhin zu gering, um ohne zusätzlichen Leistungsbezug über die Runden zu kommen (zum Teil auch, weil sie nur wenige Stunden in der Woche arbeiten), für den Staat hingegen hat sich die Lohnuntergrenze bereits bezahlt gemacht, denn seit 2015 muss er deutlich weniger Geld für aufstockende Leistungen in die Hand nehmen. Wie O-Ton Arbeitsmarkt bereits im Juni 2016 berichtet hat, musste die öffentliche Hand im ersten Mindestlohnjahr 2015 etwa 300 Millionen Euro weniger aufwenden, um Aufstocker-Haushalte auf Hartz-IV-Niveau zu heben, als vor Einführung der Lohnuntergrenze. Statt 10,85 Milliarden Euro, die 2014 an Haushalte gezahlt werden mussten, in denen das Einkommen trotz Arbeit nicht zum Leben reichte, beliefen sich die Ausgaben 2015 „nur“ noch auf 10,54 Milliarden Euro.

 

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Quellen:

Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2016): Analyse der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Oktober 2016, Nürnberg.

 

„Nach Mindestlohn-Einführung: Aufstocker kosten den Staat 300 Millionen Euro weniger“, O-Ton Arbeitsmarkt vom 20.06.2016.

 

Weiterlesen:

 

- Bundesregierung (2016): Armutsrisiko Aufstocker. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE, BT-Drucksache 18/10193 (Nov. 2016).

 

- Bruckmeier, K. (2016): Aufstocker: Erwerbstätige Arbeitslosengeld-II-Bezieher. Präsentationsfolien zum Vortrag auf der Fachtagung "Wissenschaft trifft Praxis" zum Thema Mindestlohn und Niedriglöhne am 13. und 14. Juli 2016 in Nürnberg.

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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