Befristung Zeitvertrag

 

BEFRISTUNG:

 

06/08/2015:

Folgt den Boomjahren ein Nachlassen des Befristungswahns?

(von Markus Krüsemann)

 

 

Befristete Beschäftigung hat seit Mitte der 1990er Jahre und besonders seit dem Jahr 2004 einen regelrechten Boom erlebt. Nach Hochrechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) auf Basis des IAB-Betriebspanels 2013 ist die Zahl der befristeten Arbeitsverträge zwischen den Jahren 1996 und 2012 von etwa 1,3 auf über 2,7 Millionen gestiegen. Von 2003 bis 2012 stieg der Anteil befristet Beschäftigter an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von 6,2 auf 9,5 Prozent. Gemessen an der betrieblichen Gesamtbeschäftigung stieg ihr Anteil von 5,0 auf 7,6 Prozent. Es gibt allerdings Anzeichen dafür, dass der Befristungswahn in den letzten Jahren nachgelassen hat.

 

So ist einer Antwort der Bundesregierung vom April 2014 auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion zu entnehmen, dass die Zahl der Beschäftigten mit Zeitvertrag bis 2012 auf einen Höchstwert von 2,74 Millionen gestiegen ist, um im Jahr 2013 leicht zurückzugehen auf gut 2,73 Millionen. Ihr Anteil an der betrieblichen Gesamtbeschäftigung sank in diesem Zeitraum von 7,6 auf 7,5 Prozent.

 

Nach anderen, nicht vergleichbaren Zahlen des Statistischen Bundesamtes geht der Anteil der befristet Beschäftigten an allen 25 Jahre und älteren abhängig Beschäftigten bereits seit 2012 zurück. Laut entsprechenden Berechnungen aus der Arbeitskräfteerhebung sank die Befristungsquote von 8,9 Prozent im Jahr 2011 kontinuierlich auf 8,1 Prozent in 2014. Für diesen Rückgang sei einem Bericht von Süddeutsche.de zufolge die gute Lage am Arbeitsmarkt verantwortlich zu machen.

 

Zeitverträge sind bei den jüngeren Beschäftigten besonders weit verbreitet

 

Sehr viel stärker von befristeter Beschäftigung betroffen sind die jüngeren ArbeitnehmerInnen. Folgt man den Angaben des IAB-Betriebspanels 2013, so erhielt von den jungen Berufsanfängern zwischen 15 und 24 Jahren 2012 fast jeder vierte nur einen Vertrag auf Zeit.

 

Die aktuelleren Zahlen des Statistischen Bundesamtes weisen für die Altersgruppe der jüngeren Beschäftigten zwischen 25 und 34 Jahren für 2014 einen Zeitvertragsanteil von 17,2 Prozent aus. Wie die folgende Grafik zeigt, sank auch hier die Befristungsquote seit 2011.

 

 Anteil der abhängig Beschäftigten ab 25 J. mit befristetem Arbeitsvertrag (in Prozent)

befristet Beschäftigte
Quelle: Arbeitskräfteerhebung des Statist. Bundesamts

 

Auch wenn beide Quellen den Schluss zulassen, dass die befristete Beschäftigung mittlerweile zurückgeht, stehen die vergleichsweise optimistischen Angaben des Bundesamtes doch in auffälligem Widerspruch zu den angeführten Ergebnissen des IAB-Betriebspanels. Der Grund liegt in dem merkwürdigen Zuschnitt der Grundgesamtheit bei der Arbeitskräfteerhebung.

 

Zahlen des Bundesamtes erfassen das Problem nur unzureichend

 

Die Aufstellung des Statistischen Bundesamtes hat den nicht unerheblichen Nachteil, dass sie nur abhängig Beschäftigte ab einem Alter von 25 Jahren erfasst. Gerade in der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen aber sind Zeitverträge besonders stark verbreitet. Und: Je jünger die Arbeitnehmer, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Vertrag zunächst nur befristet ist.

 

Das Bundesamt begründet diese Einschränkung nicht, sondern verweist nur darauf, dass jüngere Arbeitnehmer sehr häufig befristet Verträge hätten, weil sie sich in Ausbildung oder im Übergang vom Bildungs- zum Beschäftigungssystem befänden. Das ganze Ausmaß befristeter Beschäftigung kann so natürlich nicht wiedergegeben werden.

 

Wie sehr gerade die jungen ArbeitnehmerInnen von Befristungen betroffen sind, das belegen Zahlen aus dem Mikrozensus 2012, die ebenfalls der erwähnten Antwort der Bundesregierung entnommen werden können. Danach waren von den insgesamt 1,92 Millionen abhängig beschäftigten Kernerwerbstätigen (nicht in Bildung oder Ausbildung befindlich) im Alter von 15 bis unter 25 Jahren etwa 471.000 befristet beschäftigt. Das entspricht einem Anteil von 24,6 Prozent.

 

Positive Tendenz, aber keine Entwarnung

 

Für Beschäftigte sind Arbeitsverträge auf Zeit mit großen Nachteilen verbunden. Fehlende Planungssicherheit und unsichere Zukunftsperspektiven umschreiben ihre prekäre Erwerbslage. Wie prekär sie ist, das zeigt sich selbst an den eingeschränkten Zahlen des Bundesamtes. So besaßen 2014 satte 58 Prozent der befristet Beschäftigten ab 25 Jahre einen Arbeitsvertrag mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr. Bei 20 Prozent betrug die Befristung ein bis unter zwei Jahre, bei weiteren 22 Prozent zwei bis unter drei Jahre. Nur elf Prozent besaßen einen Zeitvertrag mit einer Laufzeit von mehr als drei Jahren.

 

Vor allem bei den jüngeren Erwerbstätigen muss sich noch vieles zum Besseren wenden. Für Optimismus ist es daher noch zu früh.
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Quellen:

Befristung von Arbeitsverträgen. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Sabine Zimmermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. BT-Drucksache 18/1029 (04.2014).

 

Statist. Bundesamt: Indikatoren – Befristet Beschäftigte

 

Süddeutsche.de vom 05.08.2015.

 

IAB - Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (Hg.) (2013): Befristete Beschäftigung - Aktuelle Zahlen aus dem IAB-Betriebspanel 2012, Nürnberg.

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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