befristete Beschäftigung Zeitvertrag

 

BEFRISTUNG:

 

04/01/2016:

Zeitverträge sind bei öffentlichen Arbeitgebern stärker
verbreitet als in der Privatwirtschaft

(von Markus Krüsemann)

 

Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst gelten gemeinhin auch jenseits des Berufsbeamtentums als vergleichsweise sichere Bank. Wer hätte da gedacht, dass ausgerechnet die öffentliche Hand die Prekarisierung der Beschäftigungsverhältnisse vorantreibt. Tatsächlich spielen befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Dienst seit Jahren eine deutlich größere Rolle als in der Privatwirtschaft, zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung von Wissenschaftler/innen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

 

Es mag daran gelegen haben, dass sich die Besonderheiten des öffentlichen Dienstes und die dortige Befristungspraxis nicht anhand einer spezifischen Datenquelle erschließen lassen. Mit Ausnahme des Bereichs der Wissenschaft jedenfalls konnte die Prekarisierung der Beschäftigung im öffentlichen Sektor zwar nicht heimlich, still und leise, jedoch weitgehend unbeachtet voranschreiten. Die jetzt vorliegende Untersuchung zu Ausmaß, Entwicklung und Struktur befristeter Beschäftigung im öffentlichen Dienst hat dem ein Ende bereitet und unmissverständlich klargestellt, dass die öffentliche Hand schon seit Jahren und speziell bei jüngeren Beschäftigten sehr viel stärker vom Instrument der Befristung Gebrauch macht als Arbeitgeber in der Privatwirtschaft.

 

Um mehr Licht ins Dunkel dieser Befristungspraxis zu bringen, hatte das Forscherteam des IAB gezielt Daten aus drei verschiedenen Quellen herangezogen. Erfasst wurden dabei nicht nur der Öffentliche Dienst im engeren Sinne, sondern alle sogenannten „öffentlichen Arbeitgeber“, bei denen die öffentliche Hand zu mehr als 50 Prozent beteiligt ist. Durch den Rückgriff auf das institutseigene Betriebspanel, auf die Personalstandsstatistik und den Mikrozensus konnten verlässliche Aussagen über die Einstellungspraxis und die Beschäftigungspolitik öffentlicher Arbeitgeber getroffen werden.

 

Im Ergebnis zeigte sich, dass die Anteile der befristeten Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Sektor im gesamten Beobachtungszeitraum von 2004 bis 2014 mit durchgängig über zehn Prozent deutlich höher sind als in der Privatwirtschaft. Dort ist die Befristungsquote zwar von fünf Prozent im Jahr 2004 auf bis zu 6,8 Prozent gestiegen, blieb aber seit 2011 weitgehend stabil.

 

 Anteil befristeter Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Sektor und
 in der Privatwirtschaft (in Prozent)

Entwicklung der befristeten Beschäftigung
Quelle: IAB-Betriebspanel 2004-2014

 

Wie die Grafik indirekt zeigt, spielt die befristete Beschäftigung vor allem im Bereich der Wissenschaft eine herausragende Rolle. Hier wird exzessiv von Zeitverträgen Gebrauch gemacht. So lag die Befristungsquote in der Wissenschaft 2004 bereits bei hohen 25,7 Prozent, um bis 2014 auf den Rekordwert von 37,0 Prozent zu steigen. Sobald wissenschaftliche Einrichtungen wie Hochschulen oder öffentliche Forschungseinrichtungen herausgerechnet werden, sinkt das Niveau des Befristungsanteils bei den öffentlichen Arbeitgebern deutlich. Seit dem Höchstwert von 2010 (8,5 %) ist der Befristungsanteil allmählich auf zuletzt 7,4 Prozent zurückgegangen.

 

Je nach föderaler Ebene fallen die Befristungsquoten recht unterschiedlich aus. In den Kommunen lag die Quote 2014 bei 8,2 Prozent, auf der Bundesebene wurden 11,3 Prozent erreicht. Am stärksten ist die Befristungspraxis in den Bundesländern verbreitet, hier lag die Quote 2014 bei 12,3 Prozent.

 

Für junge Arbeitnehmer/innen gibt es nur selten gute Jobperspektiven

 

Ähnlich wie in der Privatwirtschaft sind es auch im öffentlichen Sektor die jüngeren Beschäftigten, die besonders häufig nur mit Verträgen auf Zeit bedacht werden. Laut Studie liegt der Anteil befristeter Arbeitsverträge bei Arbeitnehmer/innen unter 35 Jahren mehr als doppelt so hoch wie in den übrigen Altersgruppen. Auch hier schneidet der öffentliche Dienst im Vergleich zur Privatwirtschaft insgesamt schlechter ab. Bei Arbeitnehmer/innen unter 25 Jahren lag der Befristungsanteil in der Privatwirtschaft 2014 bei 20,7 Prozent. Im öffentlichen Dienst (ohne Wissenschaft) betrug die Befristungsquote 23,1 Prozent.

 

Für sie wie für alle anderen nur auf Zeit angestellten Beschäftigten dürfte es kein Trost sein, dass die Qualität der Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Sektor - abgesehen von der Befristungspraxis - als vergleichsweise gut gilt. Ihre Chance, später in solch eine unbefristete Anstellung wechseln zu können, ist nachweislich geringer als in der Privatwirtschaft: Gerade einmal 32 Prozent der im öffentlichen Sektor befristet Beschäftigten wurden 2014 in eine unbefristete Beschäftigung übernommen. In der Privatwirtschaft lag der Anteil bei 41,5 Prozent.

 

Offensichtlich hat sich die Hoffnung auf einen sicheren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst längst als trügerisch erwiesen. Die Onlineausgabe der Stuttgarter Zeitung geht noch einen Schritt weiter. Für sie ist das „Klischee, wonach der öffentliche Dienst ein Hort sicherer Arbeitsplätze und damit ein besserer Arbeitgeber als die Privatwirtschaft sei, (…) endgültig widerlegt“.

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Quellen:

Hohendanner, C./ Ostmeier, E./ Ramos Lobato, P. (2015): Befristete Beschäftigung im öffentlichen Dienst: Entwicklung, Motive und rechtliche Umsetzung. IAB-Forschungsbericht, Nr. 12/2015, Nürnberg.

 

Stuttgarter-Zeitung.de vom 31.12.2015

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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