Aufstocker erwerbstätige Hartz IV-Bezieher

 

AUFSTOCKER:

 

03/02/2017:

Immer weniger Aufstocker - ein nun schon sechsjähriger Trend

(von Markus Krüsemann)

 

2016 entwickelt sich zum sechsten Jahr in Folge, in dem die Zahl der Aufstocker langsam, aber doch stetig schrumpft. Steigende Reallöhne und der Mindestlohn entfalten im Segment der Geringverdiener ihre (bescheidene) Wirkung. Doch wie geht es weiter? Kommt der positive Trend im weiteren Jahresverlauf zum Erliegen?

 

Mit dieser Konsequenz steigender Erwerbstätigkeit in atypischen Jobs und zu Niedriglöhnen war zu rechnen: Ende Juni 2010 mussten 1,4 Millionen Erwerbstätige ihr zu geringes Einkommen mit Arbeitslosengeld II-Zahlungen aufstocken (vgl. 13.05.2011). Doch danach wendete sich das Blatt. Seit mittlerweile sechs Jahren in Folge geht die Zahl der sogenannten Aufstocker zwar nur leicht, aber unbeirrt und stetig zurück.

 

Getragen wurde diese Entwicklung in Teilen auch von einer positiven Wende bei der Lohnentwicklung in Deutschland. Hatten die Arbeitnehmerhaushalte bis 2009 aufgrund einer rückläufigen Reallohnentwicklung zunächst real weniger Geld zur Verfügung als noch zur Jahrtausendwende, so begannen die Reallöhne ab 2010, begünstigt durch eine niedrige Inflationsrate, wieder zu wachsen. Ein wenig profitierten davon auch die Geringverdiener, denn ihr Anteil an allen abhängig Erwerbstätigen ging von über 23 Prozent (2009 bis 2011) auf 22,6 Prozent im Jahr 2014 zurück (siehe 11.12.2016). Der Anfang 2015 eingeführte allgemeine gesetzliche Mindestlohn sorgte dann für ein weiteres Abschmelzen der Aufstockerzahlen. Wie aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) belegen, hält diese Entwicklung nun schon bis zur zweiten Jahreshälfte 2016 an.

 

Die BA-Statistik zu den Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende weist für Ende Juni 2016 insgesamt 1.089.369 Hartz IV-LeistungsbezieherInnen aus, die über Einkommen aus abhängiger Erwerbstätigkeit verfügten. Im Vorjahresmonat waren es noch knapp 1,136 Millionen, was einem Rückgang von 4,1 Prozent entspricht. Damit schrumpfte auch der Anteil der abhängig Erwerbstätigen an allen Beziehern von Hartz IV- Leistungen von 26,0 auf 25,2 Prozent. Im Jahresdurchschnitt 2015 hatte der Anteil noch bei 26,1 Prozent gelegen.

 

 Entwicklung der Aufstockerzahlen von März 2010 bis Juni 2016

Entwicklung Aufstockerzahlen bis Juni 2016
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Analyse der Grundsicherung für Arbeitssuchende

 

Wie der Blick auf die nach Erwerbstätigkeit differenzierten Zahlen verrät, konnten in allen Beschäftigungssegmenten Rückgange verzeichnet werden. Selbst die Zahl der in sozialversicherungspflichtiger Teilzeit arbeitenden Aufstocker stieg zur Jahresmitte nur noch um 0,3 Prozent auf zuletzt etwa 392.000 Personen. Das war in den vorhergehenden Quartalen noch anders. Da hatte ein klarer Zuwachs an teilzeitbeschäftigten Aufstockern die schon länger anhaltenden Rückgänge bei den vollzeitbeschäftigten Leistungsbeziehern überkompensiert. Ende Juni 2016 zählte die BA daher mit insgesamt ca. 572.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitslosengeld II-Beziehern fast 17.600 Personen weniger als im Vorjahresquartal, was einem Minus von ziemlich genau drei Prozent entsprach.

 

Der Mindestlohn stützt den Trend

 

Auch wenn der gesetzliche Mindestlohn die Mehrheit der Aufstocker nicht aus der Bedürftigkeit holen kann (siehe 16.04.2014), so ist doch unschwer erkennbar, dass sich seine Einführung Anfang 2015 zusätzlich positiv auf die zurückgehende Zahl der auf staatliche Unterstützung durch Hartz IV-Zahlungen angewiesenen abhängig Erwerbstätigen ausgewirkt hat. Besonders deutlich wird dies im Segment der aufstockenden Minijobber. Der Rückgang beruht allerdings auch darauf, dass etwas mehr als die Hälfte aller bestehenden Minijobs seit Einführung der Lohnuntergrenze in sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung umgewandelt worden ist. Umso erfreulicher ist dann allerdings, dass der damit korrespondierende Effekt eines steigenden Leistungsbezugs im Bereich der Teilzeitarbeit an Kraft verliert. Der positive Einfluss einer allgemein verbindlichen Lohnuntergrenze ist aber auch in den anderen Beschäftigungssegmenten wirksam. Wie die folgende Grafik zeigt, liegen die bisher bekannten Aufstockerzahlen im zweiten Jahr in Folge klar unter den Werten des Jahres 2014.

 

 Abhängig erwerbstätige Aufstocker Januar 2014 bis September 2016

Aufstocker im Jahresvergleich 14-16
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Analyse der Grundsicherung für Arbeitssuchende

 

Hier deutet sich allerdings eine interessante Entwicklung an. Die bereits bis September 2016 vorliegenden, nicht nach Art der Erwerbstätigkeit differenzierten Zahlen der BA weisen darauf hin, dass der im Jahreszyklus bisher übliche Rückgang der Aufstockerzahlen in der zweiten Jahreshälfte diesmal ausbleiben könnte. Zumindest in den Monaten August und September ist die Zahl der abhängig erwerbstätigen LeistungsbezieherInnen anders als in den Vorjahren nicht geschrumpft, sondern angestiegen. Auf die Ende April erscheinenden Zahlen zum vierten Quartal 2016 darf man gespannt sein.

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Quelle:

Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2017): Analyse der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Januar 2017, Nürnberg.

 

Weiterlesen:

 

- Bundesregierung (2016): Armutsrisiko Aufstocker. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE, BT-Drucksache 18/10193 (Nov. 2016).

 

- Hartz IV: Die "Aufstocker" zwischen großen Zahlen und interessanten Verschiebungen. Aktuelle Sozialpolitik, Blogeintrag vom 13.09.2016.

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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