Leiharbeit Zeitarbeit Arbeitnehmerüberlassung

 

LEIHARBEIT:

 

27/050/2016:

Das Abgreifen von BA-Fördermitteln wird schwieriger

(von Markus Krüsemann)

 

Jahrelang hat die Bundesagentur für Arbeit Unternehmen der Leiharbeitsbranche durch die Gewährung von Lohnkostenzuschüssen für die Anstellung von schwer vermittelbaren Arbeitslosen oder Jobsuchenden subventioniert. Wird sich das jetzt ändern, nachdem die Bedingungen für eine Förderung per Eingliederungszuschuss verschärft worden sind?

 

Das Verleihen von Beschäftigten ist für die Unternehmen in der Branche der Arbeitnehmerüberlassung schon an sich ein lukratives Geschäft. Einige Verleiher haben darüber hinaus aber einen Weg gefunden, um noch mehr an den Leihkräften zu verdienen. Sie lassen sich von der Bundesagentur für Arbeit (BA) Arbeitslose vermitteln, für deren Einstellung die BA Lohnkostenzuschüsse gewährt: Arbeitslose und Jobsuchende mit Vermittlungshemmnissen wie Langzeitarbeitslosigkeit, geringe Qualifikation oder hohes Alter (siehe 23.10.2015).

 

Für die Bundesagentur für Arbeit ist das ebenfalls ein attraktiver Deal. Sie wird schwierig in den Arbeitsmarkt zu integrierende „Kunden“ los und kann ganz generell die hausinternen Vermittlungsquoten bequem aufpolieren. 2013 und 2014 landete annähernd ein Drittel aller von der BA und den Jobcentern in den ersten Arbeitsmarkt vermittelten Arbeitslosen in der Branche der Arbeitnehmerüberlassung (siehe 20.02.2015). Zwar hat die BA auf die (auch hausintern) laut werdende Kritik reagiert und ihre Zielvorgaben leicht abgeändert, doch nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung lag die Vermittlungsquote in Leiharbeit auch 2015 wieder bei gut 30 Prozent.

 

Fördermittelgewährung an Verleihbetriebe steht in der Kritik

 

Ähnlich kritikwürdig ist der Einsatz des Förderinstruments Eingliederungszuschüsse. Auch hier wird die Verleihbranche überdurchschnittlich begünstigt: 2014 entfielen einer Meldung der Saarbrücker Zeitung zufolge fast 20 Prozent aller von der BA hier gewährten Zuschüsse auf Leiharbeitsfirmen, obwohl diese nur etwa drei Prozent der Arbeitskräfte beschäftigten. Im Prinzip ist es völlig widersinnig, dass Verleihbetriebe überhaupt Lohnkostenzuschüsse erhalten, sind sie doch ein Förderinstrument, um angeblich weniger produktive Menschen langfristig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Branche der Arbeitnehmerüberlassung ist aber gerade dafür völlig ungeeignet. Seit Jahren schon ist etwa die Hälfte aller Leiharbeiter/innen gerade mal drei Monate bei einem Überlassungsunternehmen beschäftigt, und die allermeisten wechseln anschließend nicht auf einen regulären Arbeitsplatz, sondern landen wieder in der Arbeitslosigkeit (siehe 03.11.2014).

 

Zumindest der Bundesrechnungshof wollte diese Praxis nicht länger hinnehmen. Laut Süddeutsche.de vom 20.10.2015 habe die Behörde in einem Prüfungsbericht vom Oktober 2015 moniert, dass Leiharbeitsfirmen durch die Eingliederungszuschüsse "ungerechtfertigt begünstigt" würden. In den von ihm untersuchten Fällen hielt der Bundesrechnungshof die Förderung für "nicht rechtmäßig", sie habe sich "zu einer Lohnsubvention für einzelne Unternehmen" entwickelt.

 

Bundesagentur reagiert mit verschärften Richtlinien

 

Während von der Bundesregierung bisher nur bekannt ist, dass sie die „Schlussfolgerungen“ prüfen will, die sich aus dem Rechnungshof-Bericht ergeben (FR-online vom 25.11.2015), hat die Bundesagentur für Arbeit jetzt offenbar erste Konsequenzen gezogen. In einer seit dem 20.05.2016 gültigen Geschäftsanweisung zum Eingliederungszuschuss hat sie die Bedingungen für die Gewährung dieser Fördermittel an Verleihunternehmen verschärft. Der entscheidende Passus dazu lautet:

 

„Leistet der antragstellende Arbeitgeber selbst keinen wesentlichen Beitrag zum Ausgleich
der Minderleistung, entsteht ihm grundsätzlich kein finanzieller Nachteil, der mit einem Eingliederungszuschuss zu kompensieren wäre. Es sei denn, er legt dar, dass ihm aus anderen Gründen durch die Beschäftigung der förderungsbedürftigen Person aufgrund der Minderleistung ein finanzieller Nachteil entsteht.“

 

Die BA hat damit auf den Hauptkritikpunkt des Bundesrechnungshofes reagiert. Dieser hatte an der Fördermittelpraxis vor allem moniert, dass die Zuwendungen den falschen Adressaten erreichen. Gemäß den Förderrichtlinien der Nürnberger Bundesagentur soll mit dem Eingliederungszuschuss eine nachweisliche "Minderleistung" zwischen der geförderten Person und einem durchschnittlichen Arbeitnehmer ausgeglichen werden. Der Rechnungshof hält es daher für nicht rechtmäßig, dass die Verleihunternehmen finanziell bezuschusst werden, obwohl es doch die Entleihbetriebe sind, die den Aufwand für die Behebung der „Minderleistung" und damit auch zumindest rechnerisch die finanziellen Nachteile haben. Diesem Einwand hat die Bundesagentur jetzt Rechung getragen:

 

Wenn sich der (finanzielle) Nachteil, den eine Minderleistung mit sich bringt, ausschließlich beim Entleiher auswirkt und nicht beim antragstellenden Arbeitgeber (Verleiher), liegen die Fördervoraussetzungen nicht vor (siehe auch GA 88.01 Abs. 2).
(2) Eine Förderung von Leiharbeitsverhältnissen kann in Betracht kommen, wenn dem Verleiher durch die Einstellung der förderungsbedürftigen Person tatsächlich ein finanzieller Nachteil entsteht.

 

Abgreifen von BA-Fördermitteln wird schwieriger

 

Verleihunternehmen, die zukünftig noch Eingliederungszuschüsse erhalten wollen, müssen in ihrem Antrag also nicht mehr nur die Minderleistung eines neuen Mitarbeiters darlegen, sondern eben auch glaubhaft machen, dass ihnen dadurch ein finanzieller Nachteil entsteht. Nach Aussagen aus der betroffenen Branche besteht die Befürchtung, dass dies nur durch den Nachweis einer Überlassung zu einem verringerten Verrechnungssatz gelingen könnte.

 

Die Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung sind alles andere als amüsiert über die neue Hürde und vermuten, dass ihnen der Griff in die Fördertöpfe damit verwehrt werden soll. Schon jetzt deuten erste Reaktionen darauf hin, dass die Branche dies nicht widerspruchslos hinnehmen will. Und Frau Nahles dachte schon, sie habe das Thema Leiharbeit vom Tisch bekommen…

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Quellen:

Bundesagentur für Arbeit: Geschäftsanweisungen zur Durchführung der §§ 88 - 92 SGB III, Stand: 20.05.2016.

 

Süddeutsche.de vom 31.03.2016

 

Saarbrücker Zeitung online vom 22.10.2015

 

Süddeutsche.de vom 20.10.2015

 

FR-online vom 25.11.2015

 

Weiterlesen:

 

- Förderung der Leiharbeitsbranche durch die Bundesagentur für Arbeit. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Corinna Rüffer, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucksache 18/4022 (Feb. 2015).

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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