Leiharbeit Zeitarbeit Arbeitnehmerüberlassung Niedriglöhne

 

LEIHARBEIT:

 

03/11/2014:

Ein Pendeln zwischen Arbeitslosigkeit und Niedriglohnjobs

(von Markus Krüsemann)

 

 

Für Unternehmen ein Traum, für Beschäftigte ein Albtraum: der total flexible Arbeitnehmer, der immer dann zur Stelle ist, wenn er gerade gebraucht wird - und nur dann auch bezahlt wird. Ein Traum? Die Modelle Werkvertragsarbeit und Leiharbeit sind schon traurige Realität. Den Unternehmen bescheren sie enorme Flexibilisierungsgewinne, und den Beschäftigten? Bei der Leiharbeit wird gerne darauf verwiesen, dass sie eine Brücke zur regulären Beschäftigung schlägt und den Leihkräften gute Chancen auf eine Festanstellung eröffne. Gerade Arbeitslose sollen profitieren, da Leiharbeit ihnen einen Weg aus der Arbeitslosigkeit bahne. Tatsächlich aber sind die Zahlen mehr als ernüchternd. Leiharbeiter pendeln überdurchschnittlich oft zwischen Arbeitslosigkeit und neuen Anstellungen – meist wieder in der Leiharbeit und sehr häufig zu Niedriglöhnen. Eine neue Untersuchung zum Übergang von vormaligen Leiharbeitskräften in die Arbeitslosigkeit und aus ihr heraus fügt den schon bekannten Erkenntnissen neue Details hinzu.

 

Seitdem das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Sommer 2010 eine Studie zum Verbleib von Leiharbeitern vorgelegt hatte, ließ sich die These, dass Leiharbeit einen Weg in die reguläre Beschäftigung biete, nicht mehr aufrechterhalten: gerade mal sieben Prozent der vormals arbeitslosen Leiharbeiter war im Zweijahreszeitraum nach der Leiharbeit der Wechsel in eine dauerhafte reguläre Beschäftigung gelungen (siehe 29.06.2010). Besser erging es Langzeitarbeitslosen, die sofort einen Job außerhalb der Leiharbeit gefunden hatten. Sie waren auch noch eineinhalb Jahre danach signifikant häufiger außerhalb der Leiharbeit tätig als Langzeitarbeitslose, die erst einmal einen Job in der Leiharbeit angenommen hatten. Im April 2014 wurde der Befund durch eine Regionalstudie für das Bundesland Hessen noch einmal bestätigt (siehe 11.04.2014).

 

Arbeitslosen dürften diese Erkenntnisse wenig nützen, denn für sie ist Leiharbeit oft die einzige Chance, überhaupt wieder eine Beschäftigung aufzunehmen. Doch viel zu häufig landen Leiharbeiter nach ihrer oft nur kurzen Anstellung bei einem Leiharbeitsunternehmen sowieso gleich wieder in der Arbeitslosigkeit (siehe 15.07.2014). Das Risiko, arbeitslos zu werden, ist in der Arbeitnehmerüberlassung fünf Mal so hoch wie im Schnitt aller anderen Branchen.

 

Gesine Stephan, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Uni Erlangen-Nürnberg, hat in einem vom IAB herausgegebenen Bericht die Übergänge von Leiharbeitskräften in die Arbeitslosigkeit und aus ihr heraus genauer betrachtet. Ein Fokus der Untersuchung lag dabei auf der Frage wie häufig Personen, die nach einer Beschäftigung als Leiharbeiter arbeitslos geworden sind (Arbeitslosengeld-I-Bezug), bei einer anschließenden Beschäftigung Niedriglöhne bezogen haben.

 

Schaut man sich ihre Befunde zu den Übergängen aus Leiharbeit in die Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug an, so wird erneut sinnfällig, wie schlecht Leiharbeiter entlohnt werden: 74 Prozent der zuvor vollzeitbeschäftigten Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer stammen aus dem Niedriglohnbereich. Im Durchschnitt aller Branchen trifft das „nur“ auf 40 Prozent aller aus Vollzeitarbeit in Arbeitslosigkeit wechselnden Beschäftigten zu.

 

Der Übergang aus der Arbeitslosigkeit in eine neue Beschäftigung oder auch in eine geförderte Gründung gelingt ehemaligen Leiharbeitern in den ersten 18 Monaten des Leistungsbezugs zwar überdurchschnittlich häufig (82 statt 76 Prozent), für die Hälfte von ihnen war die neue Beschäftigung aber nur ein Vollzeitjob im Niedriglohnsektor. Im Durchschnitt aller Branchen geschah dies nur in 29 Prozent der Fälle.

 

Das für Leiharbeiter höhere Risiko, arbeitslos zu werden, ließ sich auch für jene Fälle bestätigen, in denen vormals in der Leiharbeit beschäftigte Arbeitslose (im Leistungsbezug) einen neuen Job gefunden hatten. Nur bei 60 Prozent von ihnen dauerte die neue Anstellung sechs Monate oder länger an. Im Durchschnitt aller Branchen waren es dagegen 71 Prozent.

 

Etwas Positives hat Frau Stephan dann aber doch gefunden: Relativ gesehen gelingt es früheren Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern häufiger als durchschnittlichen Arbeitslosen, sich nach dem Leistungsbezug finanziell zu verbessern - allerdings ausgehend von einem niedrigeren Lohnniveau als den durchschnittlichen Beschäftigten.

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Quelle:
Stephan, G. (2014): Wege von Zeitarbeitskräften in den und aus dem Arbeitslosengeld-I-Bezug. Aktuelle Berichte des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (Okt.2014), Nürnberg.

 

Weiterlesen:

 

- Lehmer, F./ Ziegler, K. (2010): Brückenfunktion der Leiharbeit: Zumindest ein schmaler Steg. IAB-Kurzbericht 13/2010, Nürnberg.

 

- Burkert, C./ Garloff, A./ Lepper, T. (2014): Arbeitnehmerüberlassung in Hessen: Sprungbrett in reguläre Beschäftigung, Vermeidung von Arbeitslosigkeit oder gefangen in der Leiharbeitsfalle? IAB-Regional: Berichte und Analysen aus dem Regionalen Forschungsnetz. IAB Hessen, 01/2014, Nürnberg.

 

- Haller, P./ Jahn, E. J. (2014): Zeitarbeit in Deutschland: Hohe Dynamik und kurze Beschäftigungsdauern. IAB-Kurzbericht, Nr. 13/2014, Nürnberg.

 

- Bundesagentur für Arbeit (2014): Arbeitsmarktberichterstattung: Der Arbeitsmarkt in Deutschland, Zeitarbeit in Deutschland - Aktuelle Entwicklungen, Juli 2014, Nürnberg.

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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