Erwerbstätigkeit Älterer prekäre Beschäftigung Rente mit 67

 

PREKÄRE BESCHÄFTIGUNG:

 

01/12/2014:

Auch im Norden ist die Beschäftigungslage Älterer zu oft prekär

(von Markus Krüsemann)

 

 

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland sollen zukünftig erst mit 67 in Rente gehen. Unabhängig davon, wie man dazu steht: Vertretbar ist dies überhaupt nur, wenn sichergestellt ist, dass die Beschäftigten bis zum Ende des Erwerbslebens einen regulären, Existenz und Altersrente sichernden Arbeitsplatz beanspruchen können.

 

Die zunächst äußerst geringen Chancen älterer Menschen auf reguläre Beschäftigung sind in den letzten Jahren zwar langsam gestiegen, doch das Problem der Unterbeschäftigung, der unzureichenden Qualität der Jobs und der Arbeitslosigkeit in den letzten Jahre vor Renteneintritt ist weiterhin zu groß: Das Erwerbsleben viel zu vieler Beschäftigter jenseits der 60 ist geprägt von Arbeitslosigkeit, vorzeitigem Rentenbezug oder atypischen bzw. prekären Beschäftigungsverhältnissen (siehe 14.11.2014).

 

Forscherteams des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) haben die Arbeitsmarktsituation älterer Arbeitskräfte (Altersgruppe zwischen 55 und 64 Jahren) in den norddeutschen Bundesländern Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern genauer unter die Lupe genommen. Dabei zeigte sich das vertraute Bild: Zwar hat sich die Lage der älteren Arbeitskräfte auch im Norden erkennbar verbessert, die Beschäftigung der 55- bis 64-Jährigen ist gewachsen, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung gehen zurück. Die Beschäftigungsquoten Älterer sind aber weiterhin zu gering. Auch die Qualität der Jobs ist lange nicht ausreichend. Zudem stellt die Arbeitslosigkeit (insbes. der Verbleib in Arbeitslosigkeit) ältere Menschen weiterhin vor große Probleme.

 

Die Befunde zu den drei Bundesländern im Einzelnen:

 

  • Entwicklung in Schleswig-Holstein (2000 bis 2013):

Unterdurchschnittlicher Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung (Voll- und Teilzeit) bei den 60- bis 64-Jährigen um 106,3 Prozent (Deutschland: 157,5%). 2012 sind nur 29,1 Prozent der 60- bis 64-Jährigen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen, bei den 55- bis 59-Jährigen waren es noch 49,3 Prozent.

 

2013 lag der Anteil der Vollzeitbeschäftigten an allen Beschäftigten unter den 60- bis 64-Jährigen bei 51,5 Prozent, rund neun Prozentpunkte unter dem Niveau der unter 55-Jährigen.

 

23,6 Prozent der 60- bis 64-jährigen Beschäftigten arbeiteten 2013 in Teilzeit. Bei den unter 55-Jährigen waren es 23,4 Prozent.

 

24,9 Prozent der 60- bis 64-jährigen bzw. 41,4 Prozent der 64-jährigen Beschäftigten arbeiteten 2013 ausschließlich in einem Minijob. Bei den unter 55-Jährigen waren es nur 16,4 Prozent.

 

Die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64-Jährigen lag im Jahr 2012 bei 48,5 Prozent (Deutschland: 46,4%). Damit lag sie um fast 26 Prozentpunkte unter der Erwerbstätigenquote der 55- bis 59-Jährigen.

 

Erheblicher Anstieg der Arbeitslosigkeit bei den 60- bis 64-Jährigen um 37,4 Prozent (Deutschland: 35,1%). Altersspezifische Arbeitslosenquote 2013: 7,5 Prozent (Arbeitslosenquote West insges. 6,0%).

 

Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen 60- bis 64-jährigen Arbeitslosen 2013: 47,3 Prozent.

 

Rückgang der Unterbeschäftigung der 55- bis 64-Jährigen von 2008 bis 2013 um rund 19 Prozent.

 

  • Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern (2000 bis 2013):

Überdurchschnittlicher Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung (Voll- und Teilzeit) bei den 60- bis 64-Jährigen von 2000 bis 2013 um 300,4 Prozent (Deutschland: 157,5%). Dennoch sind 2012 nur 27,6 Prozent der 60- bis 64-Jährigen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen, bei den 55- bis 59-Jährigen waren es noch 53,1 Prozent.

 

2013 lag der Anteil der Vollzeitbeschäftigten an allen Beschäftigten unter den 60- bis 64-Jährigen bei 56,0 Prozent, rund zehn Prozentpunkte unter dem Niveau der unter 55-Jährigen.

 

22,1 Prozent der 60- bis 64-jährigen Beschäftigten arbeiteten 2013 in Teilzeit. Bei den unter 55-Jährigen waren es 23,6 Prozent.

 

21,9 Prozent der 60- bis 64-jährigen bzw. 44,5 Prozent der 64-jährigen Beschäftigten arbeiteten 2013 ausschließlich in einem Minijob. Bei den unter 55-Jährigen waren es nur 10,0 Prozent.

 

Die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64-Jährigen lag im Jahr 2012 bei 39,8 Prozent (Deutschland: 46,4%). Damit lag sie um mehr als 28 Prozentpunkte unter der Erwerbstätigenquote der 55- bis 59-Jährigen.

 

Erheblicher Anstieg der Arbeitslosigkeit bei den 60- bis 64-Jährigen um 77,1 Prozent (Deutschland: 35,1). Altersspezifische Arbeitslosenquote 2013: 13,5 Prozent (Arbeitslosenquote Ost insges. 10,3%).

 

Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen 60- bis 64-jährigen Arbeitslosen 2013: 40,3 Prozent.

 

Rückgang der Unterbeschäftigung der 55- bis 64-Jährigen von 2008 bis 2013 um knapp 9,5 Prozent.

 

  • Entwicklung in Hamburg (2000 bis 2013):

Unterdurchschnittlicher Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung (Voll- und Teilzeit) bei den 60- bis 64-Jährigen von 2000 bis 2013 um 76,2 Prozent (Deutschland: 157,5%). 2012 sind nur 30,7 Prozent der 60- bis 64-Jährigen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen, bei den 55- bis 59-Jährigen waren es noch 48,0 Prozent.

 

2013 lag der Anteil der Vollzeitbeschäftigten an allen Beschäftigten unter den 60- bis 64-Jährigen bei 60,9 Prozent, fast sieben Prozentpunkte unter dem Niveau der unter 55-Jährigen.

 

24,4 Prozent der 60- bis 64-jährigen Beschäftigten arbeiteten 2013 in Teilzeit. Bei den unter 55-Jährigen waren es 22,0 Prozent.

 

14,7 Prozent der 60- bis 64-jährigen bzw. 26,7 Prozent der 64-jährigen Beschäftigten arbeiteten 2013 ausschließlich in einem Minijob. Bei den unter 55-Jährigen waren es nur 10,7 Prozent.

 

Die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64-Jährigen lag im Jahr 2012 bei 46,1 Prozent (Deutschland: 46,4%). Sie lag damit um fast 27 Prozentpunkte unter der Erwerbstätigenquote der 55- bis 59-Jährigen.

 

Sehr leichter Rückgang der Arbeitslosigkeit bei den 60- bis 64-Jährigen um 2,9 Prozent (Deutschland: +35,1%). Altersspezifische Arbeitslosenquote 2013: 7,5 Prozent (Arbeitslosenquote West insges. 6,0%).

 

Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen 60- bis 64-jährigen Arbeitslosen 2013: 43,5 Prozent.

 

Rückgang der Unterbeschäftigung der 55- bis 64-Jährigen von 2008 bis 2013 um rund 19 Prozent.

 

Fazit

 

Die Autoren aller drei Berichte müssen in ihrer Schlussbetrachtung einräumen, dass die älteren Arbeitskräfte in allen drei Bundesländern nach wie vor mit „erheblichen Arbeitsmarktproblemen konfrontiert“ sind. Somit lassen die Befunde letztlich nur einen Schluss zu: Will man Rentenkürzungen auf breiter Front und Altersarmut vermeiden, so muss die Rente mit 67 so lange ausgesetzt werden, bis die Arbeitsmarktpartizipation der 60- bis 64-jährigen Beschäftigten in etwa das Niveau jüngerer Beschäftigtengruppen erreicht. Ob das überhaupt jemals gelingen wird, ist mehr als fraglich.

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Quellen:

- Buch, T./ Kotte, V. u.a. (2014): Ältere auf dem Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein. IAB-Regional, Berichte und Analysen aus dem Regionalen Forschungsnetz, IAB Nord, 05/2014), Nürnberg.

 

- Buch, T./ Egbers, J. u.a. (2014): Ältere auf dem Arbeitsmarkt in Mecklenburg-Vorpommern. IAB-Regional, Berichte und Analysen aus dem Regionalen Forschungsnetz, IAB Nord, 06/2014, Nürnberg.

 

- Buch, T./ Egbers, J. u.a. (2014): Ältere auf dem Arbeitsmarkt in der Hansestadt Hamburg. IAB-Regional, Berichte und Analysen aus dem Regionalen Forschungsnetz, IAB Nord, 07/2014, Nürnberg.

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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