Arbeitsmarkt atypische Beschäftigung Normalarbeitsverhältnis

 

ATYPISCHE BESCHÄFTIGUNG:

 

26/11/2014:

Atypische Beschäftigung ging 2013 erneut ganz leicht zurück

(von Markus Krüsemann)

 

 

Atypische Beschäftigungsverhältnisse wie Leiharbeit, Befristungen, Teilzeitbeschäftigung oder Minijobs haben gegenüber dem sog. Normalarbeitsverhältnis (vollzeitnahe, unbefristete Beschäftigung ohne Leiharbeit) stetig an Bedeutung gewonnen. Der Trend setzte bereits in den 1990er Jahren ein und nahm nach der Jahrtausendwende aufgrund der von Rot/Grün betriebenen neoliberalen Arbeitsmarktpolitik der Deregulierung und Flexibilisierung so richtig Fahrt auf. Mittlerweile ist fast jedes zweite Arbeitsverhältnis kein Normalarbeitsverhältnis mehr (siehe 26.09.2014). Jetzt scheinen sich ein Ende der Wachstumsdynamik und eine Verfestigung auf hohem Niveau abzuzeichnen. Eine Trendwende ist das noch nicht, denn der Bedeutungsverlust des Normalarbeitsverhältnisses ist ungebrochen.

 

Bereits im letzten Jahr hatte eine Auswertung von Daten des Mikrozensus durch das Statistische Bundesamt (DESTATIS) ergeben, dass die absolute Zahl wie auch der Anteil der atypisch Beschäftigten im Jahr 2012 erstmals seit Jahren wieder gesunken war (siehe 28.08.2013). Jetzt hat das Amt neue Zahlen aus dem Mikrozensus vorgelegt. Danach ist die atypische Beschäftigung auch im Jahr 2013 leicht zurückgegangen.

 

Einschränkend muss zu den Zahlen vorausgeschickt werden: Für die statistische Erhebung des Mikrozensus werden alljährlich etwa ein Prozent aller Haushalte zu ihrer wirtschaftlichen und sozialen Situation sowie zur Erwerbstätigkeit befragt. Da der Mikrozensus nur zur Haupterwerbstätigkeit so detaillierte Merkmale erfragt, dass sich atypische Beschäftigungsverhältnisse identifizieren lassen, können Personen, die in einer Nebentätigkeit einer atypischen Beschäftigung nachgehen, nicht erfasst werden. Weil auch darüber hinaus nicht alle Arbeitsverhältnisse als Berechnungsgrundlage herangezogen werden, kann das gesamte Ausmaß atypischer Beschäftigung nicht abgebildet werden. Andererseits führt der Einbezug der 3,8 Mio. selbstständig Erwerbstätigen in die Grundgesamtheit zu einer rechnerischen Verringerung des Anteils atypischer Beschäftigungsformen.

 

Wie DESTATIS dazu mitteilt, sei der Anteil der atypisch Beschäftigten an allen Kernerwerbstätigen (selbstständig und abhängig Erwerbstätige zwischen 15 und 64 Jahren, die sich nicht in Bildung, Ausbildung oder im Wehr- oder Freiwilligendienst befinden, und deren Arbeit regelmäßig mindestens zehn Stunden pro Woche umfasst) von 21,7 Prozent im Jahr 2012 auf 21,4 Prozent in 2013 gesunken. Auch die absolute Zahl der atypisch Beschäftigten sei gegenüber 2012 um 71.000 Personen auf 7,64 Millionen gesunken.

 

Der Rückgang der atypischen Beschäftigung gehe vor allem auf die befristet Beschäftigten zurück. 2013 hätten 4,4 Prozent oder 116.000 Personen weniger einen befristeten Arbeitsvertrag gehabt als im Jahr zuvor. Rückgänge habe es auch bei den Minijobbern (-1,8 %) und den Leiharbeitern (-5,3 %) gegeben Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten mit bis zu 20 Wochenstunden sei dagegen um 0,6 Prozent angestiegen.

 

 Kernerwerbstätige nach einzelnen Erwerbsformen (in 1.000) 1991 bis 2013

Entwicklung der regulären und atypischen Beschäftigung
Quelle: Statist. Bundesamt: Kernerwerbstätige nach einzelnen Erwerbsformen. Ergebnisse des Mikrozensus

 

Der leichte Rückgang bei der atypischen Beschäftigung hat allerdings (noch) nicht dazu geführt, dass die reguläre Vollzeitbeschäftigung auf breiter Front verlorenes Terrain zurückgewinnen konnte. Wie aus obiger Grafik ersichtlich, ist die Zahl der Personen, die in einem Normalarbeitsverhältnis (soz.vers.pfl. Vollzeitstelle) stehen, erst seit 2011 wieder leicht angestiegen. Ihre Zahl wuchs von 20,56 Mio. in 2010 auf 21,19 Mio. in 2013, hat damit aber lange noch nicht die Werte der Jahrtausendwende erreicht und ist noch weit entfernt von den Zahlen der 1990er Jahre, als es noch mehr als 24 Millionen Vollzeitbeschäftigte gab.

 

Der Trend eines bereits in den 1990er Jahren einsetzenden Bedeutungsverlusts der Normalarbeit ist längst noch nicht gebrochen. Dies wird deutlich, wenn man einen Blick auf die Entwicklung des Arbeitsvolumens wirft.

 

 Arbeitsvolumen voll- u. teilzeitbeschäft. Arbeitnehmer 1991 bis 2013 (in Mio. Std.)

Entwicklung Arbeitsvolumen vollzeit- und teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer
Quelle: http://doku.iab.de/arbeitsmarktdaten/AZ_Komponenten.xlsx

 

Laut den der Grafik zugrunde liegenden Zahlen lag das Arbeitsvolumen vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer 2013 bei 38,3 Mrd. Stunden. Es ist damit zum zweiten Mal in Folge leicht zurückgegangen. Anfang der 1990er Jahre lag das Arbeitsvolumen dieser größten Beschäftigtengruppe noch bei über 45 Mrd. Stunden im Jahr, um seitdem nahezu kontinuierlich zurückzugehen.

 

Kontinuierlich angestiegen ist dagegen das Arbeitsvolumen der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer. Entfielen auf sie Anfang der 1990er Jahre noch unter 5 Mrd. Arbeitsstunden, so hat sich das Volumen mittlerweile verdoppelt: mit 9,91 Mrd. Stunden wurde 2013 ein neuer Höchststand erreicht.

 

Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Der zuletzt leichte Rückgang atypischer Beschäftigung deutet auf ein Erlahmen der Wachstumsdynamik hin. Er läutet keine Trendwende ein, zumal der Bedeutungsverlust des Normalarbeitsverhältnisses nicht gestoppt ist.

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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 418 des Statist. Bundesamtes vom 26.11.2014

 

Weiterlesen:

 

- Tabelle: Anteile Kernerwerbstätiger in unterschiedlichen Erwerbsformen nach soziodemografischen Merkmalen und Wirtschaftsabschnitten 2013.

 

- Statist. Ämter des Bundes und der Länder (Hg.) (2012): Arbeitsmärkte im Wandel, Wiesbaden.

 

- WSI-Datenbank „Atypische Beschäftigung“

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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