Mindestlohn Lohnuntergrenze

 

MINDESTLÖHNE:

 

25/09/2013:

DIW hält Mindestlohn für riskant, wenn er „abrupt“ kommt

 

 

Hohe Jobverluste durch Einführung eines allgemeinen Mindestlohns? Diese insbesondere von arbeitgebernahen neoklassischen Ökonomen aufgebaute Drohkulisse ist in den letzten Jahren zunehmend in sich zusammengefallen – weil sie empirischer Forschung regelmäßig nicht standhielt.

Nachdem zunächst in den USA eine Reihe von wegweisenden Studien belegen konnte, dass Mindestlöhne bzw. deren Erhöhung keine negativen Beschäftigungseffekte nach sich gezogen haben (siehe 01.12.2010 und 18.02.2013), hat in den letzten Jahren auch in Deutschland die Zahl an Studien zugenommen, die nicht nur die positiven Effekte der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes für die Beschäftigten, den Arbeitsmarkt oder auch den Staatshaushalt belegen, sondern auch in Hinblick auf die Beschäftigungswirkung von Mindestlöhnen zu positiven Ergebnissen kommen (siehe 18.11.2011 und 22.11.2012).

Vor diesem Hintergrund muss ein Bericht von Spiegel Online erstaunen, wonach Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) einen allgemeinen Mindestlohn von 8,50 Euro für zu hoch erachten und einen Einstieg bei sieben Euro empfehlen. Die Begründung fußt allerdings allein auf einer gedanklichen Erwägung: Nach Ansicht der Forscher seien die Wirkungszusammenhänge eines Mindestlohns nur ansatzweise erforscht, weshalb es sich bei der Einführung des Mindestlohns um ein "Feldexperiment", handele, das vorsichtig begonnen werden solle. Man plädiere deshalb dafür, etwas tiefer als bei 8,50 Euro einzusteigen, eventuell bei sieben Euro. "Dann sollte man die Dosis langsam erhöhen - wenn es funktioniert."

Auch würden laut Spiegel Online in der DIW-Studie Bedenken geäußert, dass ein allgemeiner Mindestlohn kleine und Kleinstbetriebe in Schwierigkeiten bringe, die dann ihre zusätzlichen Kosten an die Verbraucher weitergeben könnten. Zudem sei zu befürchten, dass Arbeitgeber mit den steigenden Löhnen noch häufiger Minijobs anbieten würden.

Flankiert wird die Veröffentlichung der DIW-Studie durch einen bei Zeit Online erschienenen Artikel von Marcel Fratzscher (Präsident des DIW) und Gert G. Wagner (DIW Vorstandsmitglied), die ihre Bedenken gegen den Mindestlohn noch deutlicher akzentuieren. Ihrer Ansicht nach berge die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns Risiken. Auch wenn präzise Prognosen unmöglich seien, so „ist es wahrscheinlich, dass Beschäftigungseinbußen beim vielfach geforderten Mindestlohn von 8,50 Euro wahrscheinlich sind“. Beschäftigungsverluste seien vor allem für Arbeitnehmer in kleinen Unternehmen in konsumnahen Sektoren zu erwarten, die höhere Kosten nur sehr begrenzt absorbieren oder durch Preiserhöhung weitergeben könnten.

Weil zudem ein „ganz großes Risiko“ bestehe, dass Arbeitnehmer durch einen einheitlichen Mindestlohn noch stärker als bisher in prekäre Beschäftigungsverhältnisse gedrängt werden könnten, müsse die Einführung eines Mindestlohns flankiert werden von Maßnahmen, um prekäre Beschäftigungseffekte zu reduzieren und die Ausbildung und Produktivität der Arbeitnehmer zu erhöhen. Ein Mindestlohn könne daher nur als Teil einer breiteren Wirtschafts- und Arbeitsmarktreform erfolgreich sein.

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Quellen:
Spiegel Online vom 24.09.2013
Zeit Online vom 25.09.2013

Weiterlesen:
Brenke, K./ Müller, K.-U. (2013): Gesetzlicher Mindestlohn – Kein verteilungspolitisches Allheilmittel. In: DIW Wochenbericht, 80 Jg., Nr. 39, S. 3-17.

Schmitt, J. (2013): Why Does the Minimum Wage Have No Discernible Effect on Employment? Center for Economic and Policy Research, Feb. 2013, Washington.

Bosch, G./ Weinkopf, C. (2012). Wirkungen der Mindestlohnregelungen in acht Branchen – Expertise im Auftrag der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung. WISO Diskurs, Expertisen und Dokumentationen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, November 2012, Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn.

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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