geringfügige Beschäftigung Minijobs

 

MINIJOBS:

 

16/10/2015:

Geringfügig Beschäftigte werden ausgebeutet - oft auch rechtswidrig

(von Markus Krüsemann)

 

 

Geringfügig entlohnte Beschäftigte sind wie alle atypisch Erwerbstätigen in vielerlei Hinsicht gegenüber regulär Beschäftigten benachteiligt. Sie sind deutlich schlechter in die sozialen Sicherungssysteme integriert, bei der Förderung beruflicher Qualifikationen (etwa durch Fortbildungen) wie auch beim Einbezug in die betriebliche Mitbestimmung stehen sie hintenan, und selbst in den Bereichen Arbeits- und Gesundheitsschutz wurden Defizite nachgewiesen (siehe 15.05.2015).

 

Schlechterstellung der Minijobbenden auch durch Vorenthalt von Arbeitnehmerrechten

 

Und weil Minijobber/innen nur Arbeitnehmer/innen zweiter Klasse sind, nimmt man es mit ihren Rechten nicht so genau. Denn obwohl für sie die gleichen arbeitsrechtlichen Regelungen gelten, wie für alle anderen Beschäftigten auch, werden arbeits- und kollektivrechtliche Standards oft nicht eingehalten. So musste das nicht gerade für eine arbeitgeberkritische Haltung bekannte Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) bereits 2012 in einer Minijob-Analyse feststellen:

 

Die Gewährung gesetzlich vorgeschriebener Leistungen ist laut der befragten
geringfügig Beschäftigten äußerst gering. Keine der abgefragten Leistungen
wurde von mehr als einem Viertel der Arbeitnehmer in Anspruch genommen
(Pausenzeiten nach 6 Arbeitsstunden: 25 Prozent; Bezahlter Urlaub: 19 Prozent;
Entgeltfortzahlung Feiertag: 14 Prozent; Entgeltfortzahlung Krankheit: 10 Prozent).
Bei fast allen Leistungen geben mehr als die Hälfte der geringfügig Beschäftigten
an, dass eine Inanspruchnahme entweder nicht möglich ist oder dass sie über den
Leistungsanspruch nicht informiert sind.

(vgl. 27.03.2013)

 

Dieser Rechtsmissbrauch bei den Minijobs hält bis heute nicht nur an, er hat sich einer soeben veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge noch verstärkt. So gaben bei einer Beschäftigtenbefragung 35 Prozent der Minijobber/innen an, keinen bezahlten Urlaub zu erhalten. Sogar 46 Prozent der Befragten erhielten nach eigenen Angaben keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

 

Beide Seiten sind sich des Rechtsmissbrauchs sehr häufig bewusst

 

Mit Unkenntnis ihrer Rechte hat das recht wenig zu tun, auch wenn nur etwa zwei Drittel der Minijobber/innen über diese beiden Rechtsansprüche Bescheid wissen. Immerhin rund 46 Prozent der Befragten, denen kein bezahlter Urlaub gewährt wird, wissen sehr wohl, dass der ihnen rechtlich zusteht. Bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hat das Forscherteam ähnliche Werte ermittelt.

 

Bei einer ebenfalls durchgeführten Unternehmensbefragung zeigte sich, dass die Kenntnis der zwei arbeitsrechtlichen Regelungen bei den Betrieben (erwartungsgemäß) sehr weit verbreitet ist. So gaben 77 Prozent der befragten Betriebe an, sie wüssten um den Anspruch von Minijobber/innen auf bezahlten Urlaub. Rund 50 Prozent von ihnen haben aber trotz Kenntnis der Rechtslage ihren geringfügig Beschäftigten genau diesen Anspruch verwehrt.

 

Warum das IAB diesen handfesten Skandal quasi beiläufig erwähnt und seine diesbezügliche Pressemeldung verharmlosend mit „Nachholbedarf“ betitelt, warum Welt online angesichts dieses bewussten Rechtsbruchs nur die Empfehlung einfällt, Minijobber/innen sollten besser über ihre Rechte informiert werden, das mag verstehen, wer will.

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Quellen:

IAB-Presseinformation vom 16.10.2015

 

Stegmaier, J./ Gundert, S. u.a. (2015): Bezahlter Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall: In der Praxis besteht Nachholbedarf bei Minijobbern. IAB-Kurzbericht, Nr. 18/2015, Nürnberg.

 

RWI – Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (Hg.) (2012): Studie zur Analyse der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, Projektbericht, Dezember, Essen.

 

Welt online vom 16.10.2015.

 

Weiterlesen:

 

- Becker, K./ Engel, T. (2015): Reduziertes Schutzniveau jenseits der Normalarbeit, In: WSI-Mitteilungen, 68. Jg., Nr. 3, S. 178-186.

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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