Niedriglöhne Niedriglohnsektor

 

NIEDRIGLOHNSEKTOR:

 

10/03/2016:

Kaum mehr Niedriglohn-Tarifgruppen unter Mindestlohn

(von Markus Krüsemann)

 

Auch in Zeiten des allgemeinen Mindestlohns gibt es weiterhin Niedriglöhne per Tarifvertrag. Zumindest die Zahl der zwischen DGB-Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgehandelten tariflichen Vergütungsgruppen unter 8,50 Euro ist aber bis Januar 2016 weiter zurückgegangen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

 

Wie die jährlich durchgeführte Untersuchung von knapp 4.500 Vergütungsgruppen aus 40 Branchen und Wirtschaftszweigen durch das WSI-Tarifarchiv ergab, haben sich sowohl Zahl als auch Anteil der Niedriglohn-Tarifvereinbarungen bis Januar 2016 erneut verringert. Einer Pressemitteilung des WSI zufolge sind nur noch in drei Prozent aller tariflichen Vergütungsgruppen Stundenlöhne unterhalb des Mindestlohns von 8,50 Euro festgeschrieben. Vor einem Jahr, beim Mindestlohn-Start, waren es noch sechs Prozent.

 

Faktisch bestehen noch in 16 Branchen niedrige Tarifgruppen unter 8,50 Euro. Anfang 2015 waren es noch neunzehn Branchen (siehe 07.05.2015). Die Niedriglohn-Tarifgruppen sind zumeist auf einzelne regionale Tarifgebiete begrenzt, doch gibt es auch vier Branchen mit allgemeinverbindlichen Branchenmindestlöhnen unterhalb des Mindestlohns. Dabei handelt es sich im die Branchen Landwirtschaft/Gartenbau, Textil- und Bekleidungsindustrie, Leiharbeit sowie Wäschereidienstleistungen. Negativer Spitzenreiter ist die Landwirtschaft. Hier liegen noch 22 Prozent der Tarifgruppen unterhalb des Mindestlohns.

 

Eine positive Entwicklung gab es auch bei den Tarifgruppen mit Löhnen ab zehn Euro/Stunde aufwärts. Dies ist insofern von Bedeutung, als laut Berechnungen des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) erst ab einem Lohn von 9,30 Euro/Std. (brutto) der Niedriglohnsektor verlassen wird. Mittlerweile beginnen 86 Prozent der Vergütungsgruppen mit einem Stundensatz von mindestens 10 Euro. Im Dezember 2013 hatte der Anteil noch bei 79 Prozent gelegen.

 

Mindestlohneinführung wirkte positiv

 

Die Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns hat in einigen Branchen mit traditionell schlechter Entlohnung maßgeblich dazu beigetragen, dass der Anteil der Niedriglohngruppen stark zurückgegangen ist. Dies gilt insbesondere für das Bewachungsgewerbe, Hotels und Gaststätten, das Fleischerhandwerk und den Erwerbsgartenbau. In der Gebäudereinigung und in der Floristik gibt es mittlerweile gar keine Vergütungsgruppe mehr unterhalb von 8,50 Euro. Noch im Januar 2015 hatten die Anteile der tariflichen Vergütungsgruppen unterhalb des Mindestlohns bei 26 bzw. 83 Prozent gelegen.

 

Das Tarifarchiv des WSI hat als zentrale Dokumentationsstelle der DGB-Gewerkschaften die Aufgabe, das laufende Tarifgeschehen zu dokumentieren und auszuwerten. Das Archiv informiert über die tarifpolitische Entwicklung und die tariflichen Regelungen und Leistungen in über 50 Wirtschaftszweigen in West- und Ostdeutschland.

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Quellen:

WSI-Pressemitteilung vom 10.03.2016

 

Bispinck, R/ WSI-Tarifarchiv (2016): WSI Niedriglohn-Monitoring 2016 - Entwicklung der tariflichen Vergütungsgruppen in 40 Wirtschaftszweigen. Elemente qualitativer Tarifpolitik, Nr. 81, Düsseldorf.

 

Weiterlesen:

 

- Bispinck, R/ WSI-Tarifarchiv (2015): WSI Niedriglohn-Monitoring 2015 - Entwicklung der tariflichen Vergütungsgruppen in 40 Wirtschaftszweigen. Elemente qualitativer Tarifpolitik, Nr. 80, Düsseldorf.

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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