Befristung befristeter Arbeitsvertrag

 

BEFRISTUNG:

 

08/12/2016:

Befristet Beschäftigte - jung, arm und kinderlos

(von Markus Krüsemann)

 

Arbeitnehmer/innen, die nur einen Arbeitsvertrag auf Zeit haben, befinden sich in einer prekären Lage. Ihr Leben ist von Planungsunsicherheiten und Existenzsorgen geprägt. Eine neue Studie zeigt, dass vor allem junge Erwerbstätige darunter leiden. Ein stabile Partnerschaft ist schwer zu erreichen, und die Familiengründung muss wegen der Risiken häufig verschoben werden.

 

Befristet Beschäftigte sind Arbeitnehmer/innen, die nur einen Arbeitsvertrag auf Zeit haben, nach dessen Ablauf sie automatisch wieder aus dem Erwerbsleben ausscheiden und arbeitslos sind, wenn sie nicht zwischenzeitlich einen neuen Arbeitgeber gefunden haben. Weil Unternehmen immer häufiger auf Zeitverträge setzen, ist die Zahl der befristet Beschäftigten in letzter Zeit nahezu stetig angestiegen auf 2,78 Millionen im Jahr 2014. Weil in den vergangen Jahren auch die unbefristete Beschäftigung zulegte, hat sich der Anteil der Beschäftigten (ab 25 Jahre) mit Zeitvertrag zuletzt etwas verringert, um im Jahr 2015 aber wieder auf 8,4 Prozent anzusteigen.

 

 Anteil der abhängig Beschäftigten ab 25 J. mit befristetem Arbeitsvertrag (in Prozent)

Anteil befristet abhängig Beschäftigter
Quelle: Arbeitskräfteerhebung des Statist. Bundesamts

 

Problematisch ist das Verhalten der Unternehmen vor allem bei Neueinstellungen. Seit Jahren schon erfolgt jede zweite von ihnen nur noch befristet. Davon sind insbesondere junge Beschäftigte und unter ihnen vor allem die Berufsstarter betroffen. Die Erwerbs- und Lebenssituation solcher nur auf Zeit Beschäftigten ist von prekärer Instabilität, Planungsunsicherheit und Existenzsorgen geprägt. Und das kommt nicht von Ungefähr: Selbst die Bertelsmann-Stiftung, eigentlich eine Lobbyorganisation für die Durchsetzung eines deregulierten und umfassend flexibilisierten Arbeitsmarktes, musste in einer Studie feststellen, dass befristet eingestellte Beschäftigte im Vergleich zu unbefristet Beschäftigten überdurchschnittlich häufig wieder aus dem Arbeitsmarkt aussteigen bzw. arbeitslos werden, während gerade einmal 36,3 Prozent aller Arbeitnehmer/innen den Sprung von einer befristeten in eine unbefristete Beschäftigung schafften (siehe 15.04.2016).

 

Befristet Beschäftigte: jung, arm und kinderlos

 

Um mehr über die die Arbeitsbedingungen und die Lebenssituation befristet Beschäftigter zu erfahren, hat der Sozialexperte des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, Dr. Eric Seils, Daten des Mikrozensus 2015 sowie des Statistischen Bundesamtes ausgewertet. Die Befunde veranschaulichen die erheblichen Nachteile dieser atypischen Beschäftigungsform, unter denen vor allem junge Erwerbstätige in der Berufseinstiegs- und Familiengründungsphase stark zu leiden haben, denn über 60 Prozent der befristet Beschäftigten (ohne Auszubildende, Praktikant/innen und Umschüler!) waren im Jahr 2015 jünger als 35 Jahre. Der Gesamtanteil der Befristungen an allen abhängigen Beschäftigungsverhältnissen (Personen ab 20 Jahren) lag bei 9,3 Prozent .

 

Die prekäre Lage der befristet Beschäftigten lässt sich bereits am Verdienstabstand zu dauerhaft Beschäftigten festmachen: 22,8 Prozent der befristet, aber „nur“ 6,8 Prozent der unbefristet Beschäftigten verdienen weniger als 1.100 Euro netto. Bei den befristet Beschäftigten unter 35 Jahren liegt der Anteil sogar bei 26,2 Prozent (gegenüber 9,3 %). Da nimmt es nicht wunder, dass befristet Beschäftigte wesentlich häufiger armutsgefährdet sind als Unbefristete.

 

Die materiellen Nachteile beeinträchtigen auch die Lebenssituation der Betroffenen. Häufige Stellenwechsel, teils auch verbunden mit Ortswechseln, erschweren die Bildung einer stabilen Partnerschaft, während die wirtschaftliche Planungsunsicherheit mit dem Wunsch nach Kindern kollidiert. So sind nur nur 17,4 Prozent der befristet Beschäftigten im Alter von 20 bis 34 Jahren verheiratet. In der Vergleichsgruppe der unbefristet Beschäftigten liegt der Anteil bei 27,7 Prozent. Und während bei ihnen in je 100 Haushalten 42 Kinder leben, sind es in den Haushalten von befristet Beschäftigten nur 29 Kinder.

 

Korrelationen oder Kausalitäten?

 

Die Faktenlage spricht eindeutig gegen befristete Arbeitsverträge. Noch ist allerdings nicht ausreichend geklärt, ob und wie die Ausgestaltung des Arbeitsvertrags für die materiellen und lebensweltlichen Beeinträchtigungen ursächlich verantwortlich ist. Seils spricht hier noch vorsichtig von „Tendenzaussagen“ und schlägt für die weitere Forschung den Einsatz von multivariaten Analysen vor, um weitergehende Schlussfolgerungen über die Wirkung der Art des Arbeitsvertrages auf die familiäre Situation zu ermöglichen. Dazu sollten seiner Ansicht nach insbesondere Faktoren wie die Branchenzugehörigkeit, die Qualifikationsniveaus und der Migrationsstatus einbezogen werden.

_________________

 

Quellen:

Seils, E. (2016): Jugend und befristete Beschäftigung. WSI Policy Brief, Nr. 8, Dezember 2016, Düsseldorf.

 

Pressemitteilung der Hans Böckler Stiftung vom 08.12.2016

 

Spiegel online vom 08.12.2016

 

Weiterlesen:

 

- Aktuelle Daten zu befristeter Beschäftigung. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. BT-Drucksache 18/5800 (08.2015).

_______________________________________________________________________

 

Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

zurück