Aufstocker erwerbstätige Leistungsbezieher

 

AUFSTOCKER:

 

03/05/2016:

Mindestlohn dämpft Aufstockerzahlen im Jahr 2015

(von Markus Krüsemann)

 

Im ersten Jahr mit allgemeinem Mindestlohn lag die Zahl der abhängig erwerbstätigen Aufstocker im Jahresverlauf um durchschnittlich mehr als 55.000 unter dem Vorjahresniveau. Vor allem bei den Minijobbern gab es Rückgänge, das belegen die jetzt vorliegenden und bis Ende September 2015 nach Art der Erwerbstätigkeit differenzierten Zahlen.

 

Seit Januar 2015 gilt (mit Ausnahmen) ein allgemein verbindlicher gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro/Stunde (brutto). Der ist zwar zu niedrig, um allen Vollzeitbeschäftigten ein existenzsicherndes Arbeitseinkommen zu ermöglichen (vgl. 04.06.2014), auch kann er bei weitem nicht alle zu wenig verdienenden Beschäftigten aus dem Bezug ergänzender Hartz IV-Leistungen herausholen. Zumindest aber hat er (neben anderen Faktoren) dazu beigetragen, dass die Zahl der Aufstocker im Jahr 2015 durchgängig deutlich niedriger war als in den Jahren davor.

 

Nach den aktuell von der Bundesagentur für Arbeit (BA) vorgelegten Daten lag die Zahl der Erwerbstätigen, die ihr zu geringes Einkommen mit Arbeitslosengeld II-Zahlungen aufstocken mussten, in allen Monaten des Jahres 2015 klar unterhalb der Vorjahreszahlen. Bei den abhängig Erwerbstätigen wurden im Jahresdurchschnitt 2015 annähernd 56.000 Leistungsbezieher/innen weniger gezählt. Das liegt in etwa auf dem vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) prognostizierten Rückgang um 60.000 Personen, bei denen auch die selbstständig erwerbstätigen Aufstocker mit einberechnet worden waren (siehe 16.04.2014).

 

 Abhängig erwerbstätige Aufstocker 2014 und 2015

Aufstocker Vergleich 2014 zu 2015
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Analyse der Grundsicherung für Arbeitssuchende

 

Für den insgesamt doch eher geringen Rückgang der Aufstockerzahlen sind nicht nur Niedriglöhne, sondern auch Art und Umfang der Erwerbstätigkeit verantwortlich. Ein großer Teil der Leistung beziehenden Erwerbstätigen kann der Bedürftigkeit deshalb nicht entkommen, weil er nur in Teilzeit oder Minijobs arbeitet. Selbst bei einer Entlohnung deutlich oberhalb des Mindestlohns bleibt das erzielte Einkommen zu gering, um allein daraus die eigene Existenz, geschweige denn die eines gemeinsamen Haushalts zu sichern.

 

Gegenläufige Entwicklung bei einzelnen Erwerbsformen

 

Die von der BA vorgelegte Analyse der Grundsicherung für Arbeitsuchende weist jetzt bis ins dritte Quartal 2015 nach Erwerbsformen differenzierte Zahlen aus. Sie belegen ein Fortdauern des bereits bekannten Trends: Deutlichen Rückgängen bei den geringfügig beschäftigten wie auch den vollzeitbeschäftigten Hartz IV-Beziehern steht ein weiteres Anwachsen der Zahl der teilzeitbeschäftigten Aufstocker gegenüber.

 

Die auffälligsten Rückgänge hat es, wie schon in den Vorquartalen (siehe 02.02.2016), bei den Aufstockern gegeben, die ausschließlich in einem Minijob beschäftigt waren. Deren Zahl ging zwischen September 2014 und September 2015 um gut 60.000 auf zuletzt 536.638 Personen (inkl. der Personen ohne Beschäftigungsmeldung) zurück, das ist ein Minus von 10,2 Prozent. Der Anteil der geringfügig Beschäftigten an allen Beziehern von Hartz IV-Leistungen sank damit erneut und erreichte mit 12,5 Prozent einen bereits im April und Mai gemessenen neuen Tiefststand.

 

 Entwicklung der Aufstockerzahlen von März 2009 bis Sept. 2015

Entwicklung Aufstocker
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Analyse der Grundsicherung für Arbeitssuchende

 

Die Zahl der in Vollzeit erwerbstätigen Aufstocker ging bis Ende September 2015 auf 201.078 Personen zurück, das sind 7,8 Prozent oder etwa 17.000 Personen weniger als im Vorjahresmonat. Ihr Anteil an allen Beziehern von Hartz IV-Leistungen sank damit von 5,1 auf 4,7 Prozent.

 

Weiter im Steigen begriffen ist hingegen die Zahl der Aufstocker mit sozialversicherungspflichtiger Teilzeitbeschäftigung. Ihr Anteil an allen Leistungsbeziehern legte in allen drei Quartalen des Jahres 2015 zu und erreichte Ende September den Höchstwert von 9,1 Prozent. Im Jahresdurchschnitt 2014 lag der Anteil noch bei 8,4 Prozent. Absolut betrachtet stieg die Zahl der teilzeitbeschäftigten Aufstocker von 371.296 im September 2014 auf 391.120 im September 2015, ein Plus von 5,3 Prozent.

 

Einfluss des Mindestlohns unverkennbar

 

Der Einfluss des Mindestlohns auf die Entwicklung bei den Aufstockerzahlen ist unverkennbar. Er lässt die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten schrumpfen (siehe 11.01.2016), wobei laut einem Forschungsberichts des IAB etwas mehr als die Hälfte der Minijobs in eine ausschließlich sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umgewandelt worden ist. Diese Entwicklung spiegelt sich in den Veränderungen im Leistungsbezug deutlich wider.

 

Die steigende Zahl der teilzeitbeschäftigten Aufstocker ist im Wesentlichen also Resultat eines Verschiebebahnhofs: Viele Beschäftigte, die zuvor als Minijobber/innen nicht genug verdient haben, sind jetzt als Teilzeitbeschäftigte tätig, nur dass der Verdienst immer noch nicht zum Leben reicht.

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Quellen:

Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2016): Analyse der Grundsicherung für Arbeitsuchende, April 2016, Nürnberg.

 

IAB - Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (Hg.) (2016): Arbeitsmarktspiegel - Entwicklungen nach Einführung des Mindestlohns (Ausgabe1), Kurzfassung des Forschungsberichts 1/2016, Nürnberg.

 

Weiterlesen:

 

- Bruckmeier, K./ Wiemers, J. (2014): Begrenzte Reichweite: Die meisten Aufstocker bleiben trotz Mindestlohn bedürftig. IAB-Kurzbericht 07/2014, Nürnberg.

 

- Rudolph, H. (2014): "Aufstocker": Folge der Arbeitsmarktreformen? In: WSI-Miteilungen, 67. Jg., Nr. 3, S. 207-217.

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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