Werkverträge Werkvertragsarbeit

 

WERKVERTRÄGE:

 

22/02/2016:

Der Versuch, Werkvertragsarbeit gesetzlich einzuhegen,

ist gescheitert

(von Markus Krüsemann)

 

 

Der Rohrkrepierer, der Tiger, der als Bettvorleger landet, der Berg, der kreißt und eine Maus gebiert. An Sprachbildern mangelt es nicht, um das Scheitern ambitionierter oder hochfliegender Vorhaben zu beschreiben. Das Gesetzesvorhaben der großen Koalition zur stärkeren Regulierung von Werkverträgen und Leiharbeit reiht sich nahtlos ein in die Riege der Flops, und das, obwohl der Erstentwurf schon eher zahm und ohne große Ambitionen daherkam (siehe 17.11.2015).

 

Als das Arbeitsministerium im November 2015 den ersten Referentenentwurf zur Einhegung der Leiharbeit und gegen eine ausufernde Werkvertragspraxis vorlegte, hagelte es von allen Seiten Kritik. Den Gewerkschaften gingen die Pläne nicht weit genug, der Wirtschaft gingen sie viel zu weit. Vor allem der Versuch, Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßem und missbräuchlichem Fremdpersonaleinsatz gesetzlich zu fixieren, sorgte bei den Unternehmen und ihren Lobbyorganisationen für erhebliche Unruhe.

 

Spätestens als Bundeskanzlerin Merkel den Entwurf dafür kritisierte, dass er über die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags hinausgehe und ankündigte, er müsse im Dialog mit den Sozialpartnern überarbeitet werden, spätestens da war klar, dass der Entwurf schon vor der Beratung im Bundeskabinett derart zurechtgestutzt werden würde, dass seine spätere Wirkung auf dem Arbeitsmarkt wohl nur noch im Bereich homöopathischer Dosierungen liegen dürfte – oder darunter.

 

Seit wenigen Tagen nun liegt der überarbeitete Gesetzentwurf vor, und diese Überarbeitung ist so gründlich ausgefallen, dass Nahles Lob von den Unternehmern bekommt: Die Ministerin habe ihr Gesetz "deutlich nachgebessert", freute sich der Arbeitgeberverband Gesamtmetall auf Süddeutsche.de. Fast schon etwas verwundert urteilte denn auch FAZ.net exemplarisch: Der Entwurf gehe „doch erheblich stärker auf die Sorgen und Bedenken der Unternehmen ein als bisher erwartet“. Wohl wahr. Man könnte auch präzisieren: Wieder mal zeigt sich, dass die Unternehmerlobby am längeren Hebel sitzt, so dass Arbeitsministerin Nahles vor ihr „in die Knie“ (neues deutschland online) gehen musste.

 

Dass die Ko-Manager der IG-BCE den Kotau abnicken, war ja noch zu erwarten. Dass aber ausgerechnet der IG Metall-Vorsitzende Hoffmann auf der eigenen Webseite nicht nur von einem „Minimalkompromiss“ spricht, sondern auch begrüßt, dass die tariflichen Regelungen seiner Gewerkschaft mit Anpassungen fortgeführt werden können, das verstehe, wer will. Vermutlich ist ihm die Jacke der eigenen, eher exklusiven Verhandlungslösungen, auf die er hier anspielt, näher als der Rock eines allgemeinen Schutzes von Leiharbeitskräften und Werkvertraglern vor Ausbeutung und Lohndumping.

 

Die Einhegung der Werkvertragsarbeit gescheitert

 

Zunächst die gute Nachricht: Sollte sich ein Werkvertraggeber als Entsendeunternehmen des Gebrauchs eines illegalen Werkvertrages und damit einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung schuldig machen, so wird der unerlaubt überlassene Beschäftigte zum Arbeitnehmer des Werkvertragnehmers/Entleihunternehmens -und zwar auch dann, wenn das verleihende Unternehmen (der Scheindienstleister) über eine Überlassungserlaubnis für Leiharbeit verfügt. Letzteres schützte bisher wie eine Art „Rettungsfallschirm“ vor den Rechtsfolgen eines Arbeitsverhältnisses. Dieses Schlupfloch immerhin soll auch im zweiten Entwurf verschlossen werden. In Zukunft wird die rechtswidrige Werkvertragsarbeit auch bei Vorlage einer Verleiherlaubnis als fingiertes Arbeitsverhältnis eingestuft, mit allen Konsequenzen für den Werkvertragnehmer/Entleiher.

 

Gravierendere Folgen für den Schutz vor Werkvertragsmissbrauch hat allerdings die schlechte Nachricht: Die weitestreichende Abschwächung, die den ganzen Gesetzentwurf massiv entwertet, betrifft den Versuch, den Missbrauch von Werkverträgen durch einen konkreten Kriterienkatalog zu unterbinden. Der im ersten Referentenentwurf enthaltene Katalog listete die Vertragspflichten eines Arbeitsvertrages auf, womit eine klare Abgrenzung gegenüber Werkvertragsgestaltungen möglich gewesen wäre. Das hätte den Vorteil gehabt, dass nicht mehr die Kriterien der Rechtsprechung herangezogen werden müssten, um das Vorliegen von Scheinselbstständigkeit bzw. einen missbräuchlichen Werkvertrag zu identifizieren, sondern im Gesetz eindeutig verankerten Kriterien.

 

Im nachgebesserten Entwurf ist dieser Kriterienkatalog nicht präzisiert worden, er ist nicht einmal aufgeweicht worden, er ist ersatzlos gestrichen und durch eine bloße Beschreibung von Arbeitnehmereigenschaften ersetzt worden. Nach Angaben von FAZ.net habe Nahles damit einen „milderen Regelungsvorschlag“ des Bundes der Deutschen Arbeitsrichter aufgegriffen. Diese Milde bringt aber fatalerweise mit sich, dass sich an der bisherigen Rechtslage und den Möglichkeiten zur Nutzung von Werk- und Dienstverträgen rein gar nichts ändert. Wie lässt sich damit der missbräuchliche Fremdpersonaleinsatz durch faule Werkverträge besser in den Griff bekommen? Antwort: Gar nicht.

 

   Die Pläne zur Regulierung von Werkverträgen im Überblick:

Regulierung für Werkverträge

 

Letztlich ist das eine herbe Niederlage für die Arbeitsministerin, denn so ist verhindert worden, dass auf gesetzlicher Ebene eine Definition dessen, was ein Arbeitsvertrag sei, verankert wird. Eine präzise Definition des Arbeitnehmerbegriffs im Bürgerlichen Gesetzbuch bleibt somit auch weiterhin Fehlanzeige. Der Versuch, endlich klare Kriterien zur Abgrenzung von Werkvertragsarbeit zur Scheinselbständigkeit zu setzen, ist damit krachend gescheitert.

 

Unternehmen, die einigermaßen sorgfältig auf die Vertragsgestaltung achten, können auch in Zukunft ungehindert zu Werkverträgen greifen, um Tarifflucht und Lohndumping zu betreiben. Es bleibt ihnen ein Leichtes, Personalkosten zu drücken, Stammbeschäftigung auszudünnen und Mitbestimmungsregelungen sowie tariflich geregelte Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen zu unterlaufen. Immerhin werden sie dies in Zukunft wohl nicht mehr so heimlich tun können, denn die Informationsrechte der Betriebsräte beim Einsatz von Fremdpersonal auf Grundlage von Werkverträgen sind auch im zweiten Entwurf festgeschrieben worden.

 

Re-Regulierung der Leiharbeit bleibt wirkungslos

 

Auch die Gesetzespläne zu einer wieder stärkeren Regulierung von Leiharbeit sind noch einmal aufgeweicht worden. Die gleiche Bezahlung von Leiharbeiter/innen (Equal Pay) soll verpflichtend jetzt erst nach 15 statt nach 12 Monaten eintreten. Die Überlassungshöchstdauer kann weiterhin per Tarifvertrag über die maximal vorgesehenen 18 Monate ausgedehnt werden. Lediglich bei tariflich nicht gebundenen Betrieben ist nun eine absolute Obergrenze von 24 Monaten gesetzt worden.

 

    Die Pläne zur Regulierung von Leiharbeit im Überblick

Regulierung der Leiharbeit

 

Die bereits jammernde Verleihbranche wird dies aber problemlos verkraften können, denn in der Praxis spielen zeitliche Obergrenzen ohnehin kaum eine Rolle. Einer Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge waren im Jahr 2010 fast die Hälfte aller Leiharbeitsbeschäftigten nicht länger als drei Monate bei einem Leiharbeitsbetrieb unter Vertrag. Nur 28 Prozent waren länger als neun Monate beschäftigt, und ganze 14 Prozent kamen auf Beschäftigungszeiten von mehr als 18 Monate (siehe 15.07.2014). Sollte das Gesetz kommen, so dürften sich Leiharbeitsfirmen und Entleihbetriebe allenfalls veranlasst sehen, die Einsatzzeiten nach den neuen Regeln auszurichten, und Leihkräfte vor Ablauf solcher Fristen durch andere austauschen.

 

Positiv zu erwähnen bleibt am Ende nur eins: Das vorgesehene Verbot, Leiharbeitende als Streikbrecher einzusetzen ist (noch) nicht kassiert worden. Aber der parlamentarische Prozess ist ja noch lang.

 

Fazit

 

Die Wirtschafts- und Unternehmensverbände können sich zufrieden zurücklehnen. Es bleibt mehr oder weniger alles beim Alten. In den Betrieben wird es weiterhin ein Drei-Klassen-System geben von relativ gut gesicherten Stammbelegschaften, schlechter entlohnten und prekär beschäftigten Leiharbeitern und noch schlechter entlohntem Fremdpersonal auf Werkvertragsbasis. Schlechte Arbeit, Missbrauch und Lohndumping bleiben auf absehbare Zeit an der Tagesordnung, denn in der Großen Koalition dürfte sich das Thema Arbeitsmarktpolitik in dieser Legislaturperiode erledigt haben.

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Quellen:

Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze, Bearbeitungsstand vom 17.02.2016.

 

Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze, Bearbeitungsstand vom 16.11.2015.

 

Süddeutsche.de vom 19.02.2016

 

FAZ.net vom 19.02.2016

 

neues deutschland online vom 20.02.2016

 

Statement von Jörg Hofmann auf der Homepage der IG Metall vom 19.02.2016

 

FAZ.net vom 19.02.2016

 

IAB-Presseinformation vom 15.07.2014

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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