Werkverträge Werkvertragsarbeit

 

WERKVERTRÄGE:

 

20/08/2015:

Outsourcing über Werkverträge erhöht die Lohnungleichheit

(von Markus Krüsemann)

 

 

In den vergangen gut zwanzig Jahren haben sich die Beschäftigungsstrukturen stark gewandelt. Das Normalarbeitsverhältnis verlor massiv an Bedeutung, während prekäre und atypische Beschäftigungsformen wie Minijobs, Befristungen und Leiharbeit sich immer weiter ausgebreitet haben (siehe 26.09.2014). Für die Erwerbstätigen war dies nicht nur mit einer Zunahme der Jobunsicherheit, sondern auch mit deutlichen Verdiensteinbußen verbunden (siehe 29.07.2014). Mit anderen Worten: Unternehmen nutzen die durch Deregulierung des Arbeitsmarktes möglich gewordenen neuen Arbeitsmodelle als Flexibilisierungs- und Lohndumpinginstrument.

 

Für das vornehm als Personalkosteneinsparung titulierte Lohndumping bieten Werkverträge noch mehr Spielraum. Im Kern handelt es sich dabei um einen als Outsourcing bezeichneten Vorgang, in dem vormals im Unternehmen organisierte Tätigkeiten an Fremdfirmen ausgelagert werden. Das ist billiger, denn die Werkvertragsbeschäftigten der Fremdfirmen sind schlechter gestellt als das Stammpersonal. Sie verdienen meist weniger Geld und/oder haben längere Arbeitszeiten. Kein Wunder also, dass das neue Billiglohnmodell „Outsourcing über Werkverträge“ in den letzten Jahren stark zugenommen hat (siehe 19.06.2012).

 

Zwar gibt es keine amtlichen Statistiken darüber, wie viele Beschäftigte in Deutschland unter Werkvertragsbedingungen arbeiten, doch es gibt Anhaltspunkte. Nach Recherchen der Gewerkschaft IG Metall sind in der Automobilindustrie fast 23 Prozent der 1,11 Millionen Beschäftigten Werkvertragsarbeiter. Ähnlich oder stärker verbreitet ist Werkvertragsarbeit auch in der Fleischindustrie und im Baugewerbe. Auch im Dienstleistungssektor geht die Zahl der Betroffen nach Schätzung der Gewerkschaft ver.di längst in die Hunderttausende.

 

Werkverträge führen zu Lohneinbußen bei den Betroffenen

 

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, das gilt nicht für Werkvertragsarbeit. Und so bleibt der durch Werkvertrags-Lohndumping gesteigerte Unterbietungswettbewerb bei den Entgelten nicht ohne Folgen für die Lohnentwicklung, für das Lohn- und Gehaltsgefüge und für die Lohngerechtigkeit. Die Ökonomen Deborah Goldschmidt und Johannes F. Schmieder haben untersucht, welche Auswirkungen das zunehmende Outsourcing an externe Dienstleistungsfirmen auf die gesamtwirtschaftliche Lohnungleichheit hat. Wenig überraschend stellen sie fest, dass Outsourcing zu erheblichen Lohneinbußen führt und dass sich dadurch die Lohnungleichheit insgesamt in Deutschland erhöht.

 

Für ihre in einem aktuellen IZA-Diskussionspapier präsentierte Studie haben sich die Wissenschaftler mit dem Wirtschaftsbereich der Reinigungs-, Sicherheits- und Logistikdienstleistungen sowie den Leiharbeitsfirmen auf Branchen konzentriert, in denen Werkverträge für externe Dienstleistungsfirmen besonders verbreitet sind. Um verfälschende Einzelfälle auszuschließen, in denen gezielt weniger produktive Mitarbeiter ausgelagert werden, haben sie nur jene Fälle betrachtet, in denen Betriebe ganze Gruppen von Arbeitskräften gemeinsam an Dienstleister in Form des „on-site outsourcing“ ausgelagert haben. In diesen Fällen arbeiten die Werkvertragsbeschäftigten neben den regulär Angestellten im gleichen Betrieb, wenn auch für einen anderen Arbeitgeber.

 

Wie ihre Auswertung von Daten der Integrierten Erwerbsbiographien (IEB) des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)ergab, fallen die Löhne der ausgelagerten Mitarbeiter deutlich. Nach zehn Jahren liegen sie etwa 10-12 Prozent niedriger als die des vergleichbaren Stammpersonals. Die höchsten Lohnverluste zeigten sich beim Reinigungspersonal und bei den Leiharbeitern. „Etwas geringer fällt der Effekt für Logistikarbeiter aus, z.B. LKW-Fahrer oder Kantinenmitarbeiter.“

 

Werkverträge treiben Lohnungleichheit voran

 

Goldschmidt und Schmieder haben auch berechnet, welche messbaren Folgen die Werkvertragsvergabe für die Lohngerechtigkeit in Deutschland hat. Die sind erheblich, denn allein das Outsourcing im untersuchten Reinigungs-, Sicherheits- und Logistikbereich kann für etwa 10 Prozent des Gesamtanstiegs der Lohnungleichheit in Deutschland verantwortlich gemacht werden, so die Autoren.

 

Auch wenn es sich nur um Schätzungen handelt, so muss man – speziell unter Einbeziehung anderer hier nicht betrachteter Hot Spots der Werkvertragsarbeit – den Eindruck gewinnen, dass Werkverträge der Niedriglohnbeschäftigung und dem Lohndumping in höchstem Maße Vorschub leistet. Eine stärkere Regulierung und Begrenzung dieser Beschäftigungsform ist dringend geboten und eigentlich schon lange überfällig.

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Quellen:

Presemitteilung im IZA Newsroom vom 19.08.2015

 

Goldschmidt, D./ Schmieder, J.F. (2015): The Rise of Domestic Outsourcing and the Evolution of the German Wage Structure. IZA Discussion Paper, No. 9194, Bonn.

 

Weiterlesen:

 

- Klein-Schneider, H./ Beutler, K. (2013): Werkvertragsunternehmen: Outsourcing auf dem Betriebsgelände. In: WSI Mitteilungen,66. Jg., Heft 2, S.144-148.

 

- Sell, S. (2013): Lohndumping durch Werk- und Dienstverträge? Problemanalyse und Lösungsansätze, Remagener Beiträge zur Sozialpolitik, Nr. 13-2013, Remagen.

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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