Leiharbeit Zeitarbeit Arbeitnehmerüberlassung

 

LEIHARBEIT:

 

20/02/2015:

Neue Zahlen zur Vermittlungspraxis der Arbeitsagentur:
Fast jeder dritte Arbeitslose wird in Leiharbeit vermittelt

(von Markus Krüsemann)

 

 

Seit der 2003 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung durchgesetzten arbeitsrechtlichen Deregulierung der Leiharbeit hat sich die Zahl der Leiharbeitnehmer von etwa 330.000 im Jahr 2003 auf weit über 800.000 im Jahresdurchschnitt der letzten Jahre vervielfacht. Als Folge des Booms tauchten auch in Jobbörsen immer mehr Stellenangebote aus dem Bereich der Arbeitnehmerüberlassung auf.

 

Besonders stark hat dieser Trend das Arbeitsangebot der Bundesagentur für Arbeit (BA) beeinflusst. Seit Mitte 2010 ist etwa jede Dritte bei der BA gemeldete offene Stelle ein Angebot einer Leiharbeitsfirma (siehe 28.07.2010). Dies schlug sich in den Folgejahren auch in der Vermittlungspraxis der BA nieder, die gerne die Gelegenheit ergriff, Arbeitslose in Leiharbeitsjobs wegzuvermitteln.

 

Anfang 2013 wurde die Bundesagentur für diese Vermittlungspraxis kritisiert: sie mache sich den Leiharbeitsboom zunutze, indem sie ihre Vermittlungserfolge überdurchschnittlich stark auf die Vermittlung in Leiharbeit begründe (siehe 03.01.2013). Selbst BA-intern wurde Kritik an der eigenen Vermittlungspraxis geübt: Sie lege mehr Wert auf vermeintliche Erfolgszahlen als auf die Qualität der vermittelten Jobs (vgl. Welt online vom 12.01.2013).

 

Auf der Angebotsseite hat sich seitdem wenig geändert. Weiterhin ist jede dritte Jobofferte der BA ein Leiharbeitsangebot (siehe 21.10.2014), und immer noch landen Arbeitslose überdurchschnittlich häufig in Leiharbeit. Nicht bekannt ist indes, inwieweit sich die Vermittlungspraxis der BA nach 2013 zum Positiven geändert hat. Dank einer parlamentarischen Anfrage der Grünen wird jetzt aber erstmals bekannt, wie viele Arbeitslose die BA tatsächlich in die Leiharbeit entlässt. Danach landet fast jeder dritte Arbeitslose, den die Arbeitsagenturen in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln, in der Leiharbeitsbranche.

 

Wie aus einer jetzt veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervorgeht, haben die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter im Jahr 2013 insgesamt 264.997 Personen in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt. 81.468 von ihnen fanden eine Anstellung im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, was einem Anteil von 30,7 Prozent an allen Vermittlungen entspricht.

 

Im Folgejahr (hier: gleitende Jahressumme von Dezember 2013 bis November 2014) wurden durch BA und Jobcenter insgesamt 262.371 arbeitslose Personen in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt, davon 80.661 in den Wirtschaftszweig Arbeitnehmerüberlassung, was ebenfalls einem Anteil von 30,7 Prozent an allen Vermittlungen entspricht. Insgesamt Der Anteil der Arbeitslosen, die insgesamt, also mit und ohne Vermittlungsaktivität der BA, in die Leiharbeit wechselten, lag dagegen im letztgenannten Zeitraum nur bei 17,2 Prozent.

 

Gegenüber der Onlineausgabe des Tagesspiegels kritisierte die derzeitige Sprecherin der Grünen für Arbeitnehmerrechte, Beate Müller-Gemmecke, diese Vermittlungspraxis. Die BA fördere die Leiharbeitsbranche, die nur 2,6 Prozent der Gesamtbeschäftigung ausmache, in unverhältnismäßigem Maße. Eine Trendwende in der Vermittlungspraxis der BA kann Müller-Gemmeke nicht erkennen. Noch immer stünde die schnelle Vermittlung im Mittelpunkt, um hohe Vermittlungszahlen zu erreichen.

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Quellen:

Förderung der Leiharbeitsbranche durch die Bundesagentur für Arbeit. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Corinna Rüffer, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucksache 18/4022 (Feb. 2015).

 

Der Tagesspiegel online vom 16.02.2015

 

siehe auch:

 

- Vermittlung der Bundesagentur für Arbeit in Leiharbeit. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucksache 17/12443 (02/2013).

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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