atypische Beschäftigung prekäre Jobs

 

ATYPISCHE BESCHÄFTIGUNG:

 

11/11/2014:

Atypische Beschäftigung hat nicht nur für Arbeitnehmer Nachteile

(von Markus Krüsemann)

 

 

Seit den 1990er Jahren ist eine Zunahme atypischer Beschäftigungsformen (Minijobs, Leiharbeit, Befristungen, Werkverträge, Teilzeitarbeit) zu beobachten, ein Trend der durch die Hartz-Reformen der Schröder-Regierung noch einmal deutlich beschleunigt wurde. Allein unter den 36 Millionen sog. Kernerwerbstätigen (Erwerbstätige zwischen 15 und 64 Jahren, die sich nicht in Bildung, Ausbildung oder im Wehr- oder Freiwilligendienst befinden) ist mit fast acht Millionen mehr als ein Fünftel atypisch beschäftigt (Teilzeitbeschäftigte mit mehr als 20 Wochenstunden nicht mitgerechnet). Betrachtet man allein die abhängigen Beschäftigungsverhältnisse, so erreichten Minijobs, Teilzeitstellen oder Leiharbeit 2013 einen Anteil von 43,3 Prozent (siehe 26.09.2014).

 

Für die Beschäftigten sind Jobs jenseits des Normalarbeitsverhältnisses (unbefristete Vollzeitstelle  außerhalb der Leiharbeit) mit erheblichen Nachteilen verbunden (siehe 29.07.2014). Mit der Ausübung von oft unsicheren und vergleichsweise schlechter bis niedrig entlohnten Jobs rückt ein von existentieller Not freies Leben für atypisch Beschäftigte in weite Ferne. Zudem werden sie auch am Arbeitsplatz in vielen Aspekten gegenüber regulär Beschäftigten benachteiligt (siehe 11.03.2014 und 15.09.2014).

 

Aus Unternehmersicht scheint die mit der Nutzung atypisch beschäftigter Arbeitskräfte einhergehende Lohnkostenersparnis und Flexibilisierung der Arbeit hingegen vorteilhaft. Ein beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in der Reihe „DIW Roundup“ erschienener Beitrag zeigt allerdings ein differenzierteres Bild. Der Überblick über verschiedene empirische Studien liefert heterogene Ergebnisse und Hinweise darauf, dass die Nutzung atypischer Beschäftigungsformen sich sogar negativ auf Unternehmenserfolge auswirkt.

 

Alexander Schiersch, der Autor des Artikels, weist zunächst auf die Vorteile atypischer Beschäftigung für Unternehmen hin, unter denen die Erhöhung der externen Flexibilität herausragt. Sie sei nach Erkenntnissen verschiedener Studien eine der wesentlichen Gründe für die Nutzung dieser Beschäftigungsformen. Nicht unerheblich sei zudem der Aspekt der Motivation. Wenn der Einsatz von atypisch Beschäftigten auch als „Screening Instrument“ zur Identifikation und Auswahl von produktiven Mitarbeitern genutzt werde, dann sei eine erhöhte Arbeitsmotivation bei den atypisch Beschäftigten die Folge.

 

Im Hinblick auf die Unternehmensperformance kommen die empirischen Studien zur Nutzung atypischer Beschäftigung allerdings zu heterogenen Ergebnissen. Die Mehrzahl der Studien findet laut Schiersch „eher keine oder negative Effekte als positive“. Unter anderem gebe es keinen Nachweis dafür, dass der Einsatz von Leiharbeitern sich positiv auf die Umsatz- oder Produktivitätsentwicklung auswirkt. Auch für die Nutzung von befristet Beschäftigten lässt sich keine Steigerung der Arbeitsproduktivität erkennen, in einigen untersuchten Fällen habe sie sich sogar negativ auf Produktivität und Unternehmenswachstum ausgewirkt.

 

Negativ für den Unternehmenserfolg sei schließlich auch, dass Unternehmen nicht in gleichem Maße in die Fortbildung von Mitarbeitern ohne feste Verträge investierten. Das jedoch schade ihrer Produktivität.

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Quelle:

Schiersch, A. (2014): Atypische Beschäftigung und Unternehmenserfolg, DIW Roundup vom 11.11.2014, Berlin.

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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