Mindestlohn Mindestlöhne Schwarzarbeit

 

MINDESTLÖHNE:

 

03/02/2015:

Mindestlohn und Schwarzarbeit – eine Prognose über einen gar nicht so negativen Zusammenhang wie es zunächst scheint

(von Markus Krüsemann)

 

 

In welcher Form der seit Anfang des Jahres geltende allgemeine gesetzliche Mindestlohn Arbeitsmarkt und Beschäftigung beeinflussen wird, darüber ist naturgemäß noch kaum etwas Konkretes bekannt. Schätzungen und Prognosen indes hat es im Vorfeld seiner Einführung zu Hauf gegeben, wobei insbesondere wirtschaftsnahe Institutionen und Forschungsinstitute durch Jobverlust-Alarmismus und Zahlenakrobatik negativ aufgefallen waren (siehe z.B. 04.11.2013 und 20.03.2014).

 

Eine erste halbwegs belastbare Prognose zum Einfluss des Mindestlohns auf die Beschäftigungsentwicklung gab die Bundesagentur für Arbeit (BA) Ende Dezember 2014 auf Basis ihres Systems von Frühindikatoren ab. Diese hätten keinen Anlass zu der Annahme gegeben, dass im Januar wegen des Mindestlohns die Arbeitslosigkeit über das saisonübliche Maß hinaus ansteigen werde, so eine Sprecherin der BA gegenüber der WAZ vom 23.12.2014. Gestützt wurde diese Einschätzung durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Deren Arbeitsmarktbarometer war sowohl Anfang als auch Ende Januar 2015 weiter gestiegen, was bedeutet, dass die Arbeitslosigkeit in den nächsten Monaten saisonbereinigt weiter sinken dürfte. Größere negative Wirkungen des gesetzlichen Mindestlohns auf Beschäftigung und Arbeitslosigkeit seien nicht wahrnehmbar, auch sei momentan nicht absehbar, dass er den günstigen Arbeitsmarkttrend in Frage stelle, gab das IAB in seinen diesbezüglichen Pressemeldungen kund.

 

Eine weitere, einen ganz anderen Arbeitsmarktbereich betreffende Prognose zur Mindestlohnwirkung hat heute das Tübinger Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) veröffentlicht. Demnach werde der am 1. Januar 2015 eingeführte Mindestlohn die Schattenwirtschaft (Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung) nach den Modellrechnungen um 1,5 Milliarden Euro erhöhen.

 

In der seit 2002 alljährlich (in Zusammenarbeit mit einem Professor für Volkswirtschaft der Uni Linz) erstellten Prognose zur Entwicklung der Schattenwirtschaft in Deutschland kommen die Autoren zur Einschätzung, dass der seit einigen Jahren beobachtbare Rückgang der Schattenwirtschaft 205 zum Stillstand kommen dürfte. Laut Modellrechnung werde das Verhältnis von Schattenwirtschaft zu offiziellem Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2015 gegenüber dem Jahr 2014 unverändert bei 12,2 Prozent liegen. Zwar würden die konjunkturelle Entwicklung und die positive Lage am Arbeitsmarkt die Schattenwirtschaft rechnerisch um 1,3 Mrd. Euro zurückdrängen, leicht steigende Sozialbeiträge und die Einführung des allgemeinen Mindestlohns wirkten dagegen tendenziell verstärkend auf die Schattenwirtschaft.

 

Der hochgerechnet negative Zusammenhang von Mindestlohn und Schwarzarbeit hat bei Spiegel, Welt und Co. das übliche Presseecho hervorgerufen und wird dort zum feststehenden Faktum: Der Mindestlohn begünstigt oder befeuert Schwarzarbeit, Punkt.

 

So, what… Abgesehen von der Tatsache, dass Schwarzarbeit nur ein Bestandteil der Schattenwirtschaft ist (neben illegaler Beschäftigung und kriminellen Aktivitäten wie Drogenhandel etc.), und abgesehen davon, dass steigende Steuersätze und mit Mehrkosten verbundene regulierende Eingriffe des Staates generell eine Ausweitung der Schattenwirtschaft begünstigen: Bei näherer Betrachtung der vom IAW vorgelegten Prognose zeigt sich jenseits des allgemein negativen Zusammenhangs vor allem ein anderer Aspekt, der in der Berichterstattung nur am Rande erwähnt wird: der Mindestlohn wird rechnerisch nur in einem eher geringen Maße ein Ausweichen in die Schattenwirtschaft nach sich ziehen.

 

Die Autoren der Studie haben den sog. Ausweicheffekt explizit für Tätigkeitsfelder mit sowieso schon hohem Aufkommen von Schwarzarbeit berechnet. In diesen Bereichen arbeiten immerhin 12,8 Prozent aller Beschäftigten, von denen mit 39 Prozent ein relativ hoher Anteil im Jahr 2012 unter 8,50 Euro verdient hat. Für diesen Bereich haben die Forscher einen rechnerischen Anpassungsbedarf in Höhe von sieben Milliarden Euro ermittelt, was nichts anderes bedeutet als dass die Löhne in diesen Tätigkeitsfeldern infolge des Mindestlohns um sieben Mrd. Euro erhöht werden, damit dieser vollumfänglich eingehalten wird. Für alle anderen Tätigkeitsfelder liegt der Anpassungsbedarf bei weiteren rechnerisch knapp zehn Milliarden Euro.

 

Sieht man mal von der Frage ab, ob solche Modellrechnungen überhaupt prognostische Relevanz haben: Wenn man die in den Schätzungen berechnete Mindestlohnwirkung von 1,5 Mrd. Euro dem errechneten Anpassungsbedarf von knapp 17 Milliarden Euro gegenüber stellt, so wird klar, dass bei einer Mindestlohnwirkung von unter neun Prozent nur wenige der von Mindestlöhnen betroffenen Jobs in die Schattenwirtschaft wechseln dürften. Das Fazit der Forscher: „Nach der Modellschätzung wird (…) nur ein relativ kleiner Teil der notwendigen Anpassungen durch ein Ausweichen in die Schattenwirtschaft umgangen.“ Das aber ist als Schlagzeile wohl zu nüchtern und passt gerade nicht in den aktuellen Trend des Mindestlohn-Bashings.

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Quellen:

WAZ online vom 23.12.2014

 

IAB-Presseinformation vom 05.01.2015

 

IAB-Presseinformation vom 27.01.2015

 

IAW-Pressemitteilung vom 03.02.2015

 

Spiegel online vom 03.02.2015

 

Die Welt online vom 03.02.2015

 

Weiterlesen:

 

- Schneider, F./ Boockmann, B. (2015): Die Größe der Schattenwirtschaft – Methodik und Berechnungen für das Jahr 2015, Linz und Tübingen..

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Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen.

 

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